Hamsterkäufe: Auf echte Notfälle kaum vorbereitet
Die Deutschen horten Zigaretten, Glühbirnen und manchmal auch Geld. An eine Lebensmittelreserve denken aber die wenigsten.
Berlin. Helmut Schmidt soll Tausende Mentholzigaretten horten, in Peer Steinbrücks Keller stapeln sich Hunderte Glühbirnen. „Weil ich nicht weiß, ob ich die in fünf Jahren für meine französische Lampe noch bekomme“, sagt der SPD-Politiker, der Bundeskanzler werden will. Auch der Altkanzler, Deutschlands berühmtester Raucher, fürchtet ein Verbot. Sie sind in guter Gesellschaft.
Tausende Deutsche fuhren zu Hamsterkäufen in Baumärkte, als die EU nach und nach die Glühbirnen ausknipste. Bargeld und Gold horten sie tonnenweise. Es gibt Menschen, die lagern Dutzende Flaschen ihres Lieblingsduschbads. Überlebensnotwendiges dagegen — Konserven, Campingkocher, Kerzen — halten nur wenige Bürger bereit. Doch die Vorsorge für schlechte Zeiten soll besser werden.
Schon bei einem längeren Stromausfall helfe ein privater Vorrat, auch wenn Schnee oder Hochwasser den Haushalt von der Außenwelt abschneiden, heißt es beim Bundesernährungsministerium. Der Bund selbst hortet viele tausend Tonnen Getreide, Reis, Hülsenfrüchte und Kondensmilch. Doch wer hat zu Hause schon 13 Kisten Wasser im Keller?
„Wenn nichts passiert, sorgt man auch nicht vor“, sagt Ute Menski. „Die meisten Leute haben ja auch keine Patientenverfügung und auch kein Testament.“ Die Ernährungswissenschaftlerin der Freien Universität Berlin hat Betroffene befragt, als 2005 im Münsterland die Leitungsmasten unter der Schneelast zusammensackten und der Strom mehrere Tage ausfiel. Viele hatten ein paar Konserven, aber für einen längerfristigen Ausfall hätte das nicht gereicht, meint Menski.
„Ganz schnell können auch Sie einem Brand, Hochwasser, Chemieunfall, Stromausfall oder anderen Gefahren ausgesetzt sein“, warnt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Dann sei es für das Vorsorgen zu spät. Nach einer Umfrage des Amts hat jeder fünfte Deutsche keine Lebensmittelvorräte. Jeder Achte hat kein Trinkwasser auf Lager.
Anders die Generation, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Sie habe häufig noch Regale voller Einmachgläser, hat Menski beobachtet. „Aber wir wissen nicht, was es heißt, Hunger zu haben. Man kann sich zur Not eine Tiefkühlpizza an der Tankstelle holen.“ Naturkatastrophen und Pandemien brächten zunehmend ein Umdenken der Behörden. Menski untersucht nun in einem vom Bund geförderten Forschungsprojekt, wie Deutschland besser vorsorgen kann.
Nicht solange warten wollen die sogenannten Preppers — nach dem englischen „Preparedness“ (Bereitschaft). Sie rüsten sich komplett aus, um Katastrophen zu überstehen — von der Petroleumlampe bis zur Wasseraufbereitungsanlage. In Internetforen tauschen sie sich aus über Solarkocher, Nachtsichtgeräte und Alkohol als Tauschware.
In der Finanzkrise haben viele Bürger ihre eigenen Lehren gezogen. 2009 holten viele ihr Geld in 500-Euro-Scheinen von der Bank, wie die Bundesbank beobachtet hat — nicht, weil man damit so gut einkaufen könnte. „Vielmehr wurde und wird Bargeld als Wertaufbewahrungsmedium geschätzt“, sagt Bereichsleiter Helmut Rittgen. Zehn bis 30 Prozent des Bargelds würden gehortet.