Den Marathon läuft Werner Rathert blind
Werner Rathert verlor mit 19 Jahren seine Sehkraft. Doch das hat ihn an sportlichen Aktivitäten nicht gehindert.
<strong>Dortmund. Zum sportlichen Walking im Park braucht Werner Rathert nur einen Stock - und zwar einen weißen. Seit dem 19. Lebensjahr kann der inzwischen 71-jährige Dortmunder nicht mehr sehen. Seiner Lauf-Leidenschaft tat dies jedoch keinen Abbruch. In den 70er und 80er Jahren erzielte er Zeiten, von denen die meisten sehenden Hobby-Marathonläufer nur träumen. So stellte er im Mai 1977 mit 2 Stunden, 36 Minuten und 15 Sekunden einen Weltrekord für blinde Marathonläufer auf.
"Da ich mich im Behindertensport nicht genug gefordert fühlte, nahm ich sonntags mit einem Freund an Volksläufen über 10 Kilometer teil und schloss mich einem Leichtathletikverein an", erzählt er. Mit Leichtigkeit schaffte er 1972 die Qualifikation zur Teilnahme an der Deutschen Marathonlauf-Meisterschaft.
"Werner Rathert ist so schnell, dass sich für ihn nur ein Radfahrer finden konnte, der ihn führte", hieß es damals in Medienberichten. Doch die 42,2 Kilometer Marathonstrecke reichten ihm oft nicht. So absolvierte er 1976 in Hamm einen 100-Kilometer-Lauf mit der Bestzeit für Nichtsehende von 7,48 Stunden und wurde unter 800 Teilnehmern Gesamtvierter. Bis 1990 nahm Ra-thert allein an 36 Läufen über die Marathondistanz teil, etwa in Berlin, Göteborg oder Buffalo/USA.
Neben seinen Laufaktivitäten ließ Rathert sich zum Trainer für Leichtathletik ausbilden. Anschließend trainierte er eine Gruppe sehender Frauen. "Das Gruppenmitglied Gabriele Wolf befähigte ich zur Olympiateilnahme 1988 in Seoul", sagt er stolz. Für seine sportlichen Leistungen erhielt er 1988 das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Bis heute geht es nicht ohne Sport. Jeden Tag marschiert Rathert flott auf bekannten Wegen durch zwei Dortmunder Parks. Mit seinem bis zur Brust reichenden Stock erspürt er den Weg. Gymnastik und Radeln auf einem Hometrainer tun ihr Übriges für die Fitness des Pensionärs, der als nächstes nach Bayern zum Skilanglauf reisen will.
Werner Rathert lernte nach dem Volksschulabschluss Bierbrauer und Gärtner. Als er mit 19 Jahren am Grünen Star erkrankte, machte er eine Ausbildung zum Stenotypisten und ging 1960 zur damaligen Bundespost. Dort stieg er bis zum Betriebsinspektor auf. Der 71-Jährige hat vor drei Monaten zum zweiten Mal geheiratet.
