„Der Elefant im Raum“ So wird der letzte „Tatort“ aus Luzern
Luzern · Ein bisschen Wehmut darf sein: der Schweizer „Tatort“ am Sonntag ist der letzte mit Stefan Gubser als Kommissar Flückiger. Er lässt es so richtig krachen, auf jeden Fall sprachlich.
Noch einmal Stefan Gubsers Kommissar-Mimik: die Augenbraue, die nur ganz leicht nach oben geht und ohne Worte seine genervte Langweile deutlich macht. Sein Mundwinkel, der beim „Bio-Wachtelei an Senfschaumreduktion“ leicht zuckt und damit seine Wertschätzung für die kulinarische Finesse verrät. So fängt der Schweizer „Tatort“ am kommenden Sonntag (27. Oktober) an, der letzte, in dem Gubser (62) als Kommissar Reto Flückiger mit Delia Mayer (52) als Liz Ritschard mit Blaulicht durch die Straßen von Luzern rast.
Flückiger begleitet seine Freundin zum Dinner auf einem Raddampfer auf dem Vierwaldstätter See. Es kommt zu einem Brandanschlag auf die illustren Gäste des schmierigen Politikers Planker. Der Kapitän stirbt, ein Passagier verschwindet. Flückiger findet die Leiche später im Wasser. Bei den Ermittlungen muss er sich mit einem feindseligen Nachrichtenportal herumschlagen, dessen Betreiber jede Begegnung auf Kamera aufnimmt und gleich im Internet hochlädt. „Ein arroganter Klugscheißer!“, wettert Flückiger, und das ist nur der erste von seinen vielen derben Flüchen in diesem Film.
Der sonst so weiche, verständnisvolle Kommissar wirkt in der letzten von 17 Luzerner Tatort-Folgen ganz entfesselt: er schlägt mit der Faust zu, geht jemandem an die Gurgel, knallt wütend einen Stuhl an die Wand, brüllt seinen Chef an und schmeißt sogar einmal seinen Job. Als lasse die Filmfigur Flückiger raus, was der Schauspieler Gubser empfand, als er vom Ende seiner Tatort-Zeit erfuhr: „Das Aus war wie ein Tritt in den Hintern“, sagte er in einem Interview. „Nobody is perfect“, resümiert er an einer Stelle in dem neuen Streifen.
Die letzte Folge („Der Elefant im Raum“) ist spannend, wenn auch das Sujet „schmieriger Bonze gegen arme Aufrichtige“ ein bisschen ausgelutscht ist. Mal stehen der in dubiose Waffengeschäfte involvierte Regierungsrat und sein Sohn im Visier der Ermittler, mal der skrupellose News-Mann, dann eine Chefredakteurin, die ganz auf sexy macht. Und dann ist da noch der Kellner auf dem Dampfer, der mit dem Regierungsrat seine ganz eigene Rechnung auf hat. Flückiger landet irgendwann gefesselt und geknebelt in einem Verschlag.
An Gubser kann es nicht gelegen haben, dass der Luzerner „Tatort“ beim deutschen Publikum meist floppte. Als Schweizer Mischung aus Al Pacino und Robert De Niro bezeichnete ihn die „Süddeutsche“ einmal. Den Figuren habe Fleisch gefehlt, konstatierte Stefan Gubser nach dem Aus. Die Regisseure hätten sich zu sehr auf die Fälle konzentriert und die Figuren vernachlässigt. Schon beim Auftakt 2011 schrieb „Bild“: „Echter Käse“, und der „Spiegel“ meinte: „Grüezi Tristesse“.
Das sei ein Sprachproblem, befand der Karlsruher Germanist Stefan Scherer. Weil das deutsche Publikum das echte Schweizerdeutsch nicht verstehen würde, wird der Schweizer „Tatort“ für die Ausstrahlung in Deutschland auf Hochdeutsch mit Schweizer Kolorit synchronisiert. Das verstehen die Deutschen zwar, aber so sprechen die Schweizer nicht. „Dadurch entsteht Distanz, eine matte Atmosphäre“, meinte Scherer.
Vom nächsten Jahr an gehen im Schweizer „Tatort“ zwei Kommissarinnen in Zürich auf Verbrecherjagd, mit den bislang wenig bekannten Schauspielerinnen Carol Schuler (32) und Anna Pieri Zuercher (40). Gubsers Wunsch zum Abschluss seiner „Tatort“-Karriere: „Dass der neue Tatort aus Zürich ein voller Erfolg wird.“