Der feine Herr: Renaissance des konservativen Männlichkeitsideals

Berlin (dpa) - Maßanzug statt Markenjeans. Barbier statt Elektrorasierer. Der Mann entdeckt die Insignien der Herrenkultur. Ob dieser Trend auch massentauglich ist, bezweifeln die Experten.

Am Körper ein Maßanzug, das Gesicht vom Barbier glatt rasiert, die Schuhe perfekte Handwerkskunst. Ein Mann aus einer anderen Zeit. Oder doch nicht? Seit die schillernde Neuverfilmung von „Der große Gatsby“ die deutschen Kinos bespielt, ist von einem „Aufblühen der Herrenkultur“ die Rede. Der Film selbst dient dabei nur als bildgewaltiger Anlass. Dahinter wird das Comeback eines konservativen Männlichkeitsideals vermutet.

In den 1920er Jahren, in denen „Der große Gatsby“ lebt, war Männerkleidung noch klar strukturiert. Für den „Herren von Welt“ gab es genaue Vorschriften, was zu welchem Anlass anzuziehen war. Selbst Handwerker und Fabrikarbeiter besaßen einen Sonntagsanzug. Doch nach und nach begannen sich die Regeln aufzulösen, bis man irgendwann die auf der Hüfte sitzende Jeans zur Smokingjacke kombinierte und mit Turnschuhen in die Oper ging. Die modische Freiheit fegte allerdings auch ein Stück Kleidungskultur hinweg.

Im Spätsommer erscheint das Buch „I am Dandy“, das, so der Untertitel, „Die Rückkehr des eleganten Gentleman“ erkennt. Auch Magazine wie „The Heritage Post“ frönen der Herrenkultur. Steht hier ein Paradigmenwechsel an?

Bernhard Roetzel gilt in Deutschland als Institution, wenn es um Stilfragen des Mannes geht. Sein Buch „Der Gentleman“ ist so etwas wie das Standardwerk der klassischen Herrenmode. Eigentlich müsste Roetzel sich über die Entwicklung freuen, doch er bleibt skeptisch. „Das neue Interesse an der Herrenkultur ist eine Spielart des Retro-Trends. Hier begeistern sich junge Männer nur am zweiten oder dritten Aufguss einer längst nicht mehr existierenden Realität. Die Mehrheit tangiert das ohnehin nicht und auch bei vielen angeblichen Anhängern der Herrenkultur bleibt das alles doch sehr an der Oberfläche.“

Unlängst hatte der „Spiegel“ in seiner Kultur-Beilage der Herrenkultur einen Beitrag mit dem Titel „Retrosexuell“ gewidmet. Darin befand die Kulturwissenschaftlerin Annette Geiger unter anderem: „Wer Herrengarderobe trägt, zeigt: Ich werde kein Opfer der Krise sein.“ Wie oft in der Mode, geht es auch um Abgrenzung.

Massenkompatibel wird die Herrenkultur wahrscheinlich nie werden. So sieht es Michael Werner, Chefredakteur des in Frankfurt/Main erscheinenden Fachmagazins „TextilWirtschaft“: „Der große Motor der Männermode ist das Sportive. Alles, was Dynamik und Aktivität ausdrückt.“ Der Experte meint sogar, dass ein urklassischer Auftritt für die breite Masse etwas Provozierendes haben könnte: „Mit einem dreiteiligen Anzug ist man heute fast schon "Underground".“

Ein teurer Maßanzug allein macht ohnehin noch keinen Gentleman. Roetzel unterscheidet: „Es gibt den Herren und den feinen Herren. Beide strahlen durch ihre Kleidung einen erhöhten Status aus. Der feine Herr ist aber bescheiden, gelassen, freundlich zu jedermann - und keinesfalls herrisch“. Wesenszüge also, die jedem Mann gut stehen. Auch wenn er dazu Jeans und T-Shirt trägt.

Dass auf den Laufstegen in Mailand und Paris jetzt für Frühjahr/Sommer 2014 eher junge, sportliche und exotische Noten gesetzt wurden, muss nicht zwingend ein Widerspruch sein. Das eine ist ein saisonaler Trend, das andere eine grundsätzliche Stilfrage.