Der Kampf um die alten Kleider
Das Internet und betrügerische Firmen setzen den gemeinnützigen Sammlern zu.
Bielefeld. Mit flinken Fingern faltet Lydia Seidel einen Stapel knallig-bunter Halstücher. In einem Rollwagen hinter ihr wartet noch mehr Arbeit: unzählige Pullover, Blusen und Hosen. Sie alle müssen gesichtet, sortiert, gefaltet werden. Seidel arbeitet in einer der größten gemeinnützigen Kleidersammlungen Deutschlands: der Brockensammlung der Von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Jährlich landen rund 11.500 Tonnen Textilien und Kleidung bei der Bielefelder Einrichtung.
„Das ist schon eine erhebliche Menge“, sagt Betriebsleiter Rüdiger Wormsbecher, aber es war schon mal mehr: „Im Laufe von zehn Jahren haben wir etwa 1000 Tonnen verloren.“ Vor allem der Anteil hochwertiger Ware sei zurückgegangen. „Creme-Ware“ nennt sie der Diakon. Anstatt in den Altkleidercontainer zu wandern, werde gut erhaltene Kleidung heute lieber im Internet versteigert.
Zum Beispiel bei Ebay. Nach eigenen Angaben erzielt das Internetauktionshaus mit Kleidung, Schuhen und Accessoires weltweit ein Handelsvolumen von mehr als 5,4 Milliarden US-Dollar jährlich. Zahlen für Deutschland gibt es nicht. In der Kategorie Mode seien 2010 aber die meisten Artikel verkauft worden. So gingen 4,7 Millionen Paar Damenschuhe und 2,4 Millionen Jeans über den virtuellen Ladentisch. Was von der Mode neu und was gebraucht war, lasse sich indes nicht unterscheiden.
„Vor Ebay sind hochwertige Textilien aber sicher in der Kleidersammlung gelandet“, meint Andreas Voget, Geschäftsführer des Verbandes Fairwertung. Gut 100 gemeinnützige Organisationen sind in dem Verband zusammengeschlossen.
Ihnen macht jedoch nicht nur das Internet Konkurrenz. Auf den Altkleidermarkt drängen zunehmend gewerbliche Sammler. Zwar würden auch die gemeinnützigen Sammler die Ware vermarkten. Voget ärgert jedoch, dass einige gewerbliche Firmen mit unsauberen Methoden arbeiteten. So gebe es immer wieder Sammelaufrufe, bei denen mit erfundenen Vereinsnamen geworben werde.
Eine richtige Plage seien auch die sogenannten Wäschekorb-Sammlungen. Dabei werden leere Körbe mit dem Logo gemeinnütziger Vereine unaufgefordert vor die Haustüren gestellt. „Aber das sind fast immer gewerbliche Sammlungen“, warnt Voget.
In der Regel hätten die Unternehmen den Namen des betreffenden Vereins nur gemietet. „Sie treten systematisch an gemeinnützige Vereine heran und bieten ihnen einen Deal an: Geld gegen Namen.“ Wichtig sei ihnen vor allem, dass in dem Namen Schlagwörter wie „Hilfe“ auftauchten. „Dadurch soll der Eindruck einer karitativen Sammlung entstehen.“ Wie viele solcher Firmen sich mittlerweile auf dem Altkleidermarkt tummeln, kann Voget nicht einschätzen. „Das ist in den letzten Jahren immer unübersichtlicher geworden.“ Für ihn ist jedoch klar, warum das Geschäft für sie so attraktiv ist: „Weltweit ist Second-Hand-Kleidung ein gesuchtes Produkt.“ In einigen Ländern sei sie die einzige Kleidung, die sich die Menschen leisten könnten.