Der Kölner Dom ist geschrumpft
Nord- (20 Zentimeter) und Südturm (9 Zentimeter) niedriger als bisher angenommen.
Köln. Es geht nur um Zentimeter — und doch um eine kleine Sensation: Der Kölner Dom ist nach neuen Messungen niedriger als bisher angenommen. Drei Untersuchungen seit 1985 zeigen, dass die beiden Haupttürme kürzer sind, als es Millionen Touristen alljährlich im offiziellen „Domführer“ nachlesen.
„Der Nordturm ist 157,18 Meter hoch und damit 20 Zentimeter niedriger als bisher angenommen“, sagt der Leiter des Dombauarchivs, Klaus Hardering. Der Südturm messe 157,22 Meter — immerhin noch neun Zentimeter weniger als bisher angenommen. Das Kölner Wahrzeichen sei aber nicht altersbedingt geschrumpft.
„Huch! Der Dom schrumpft“, schreibt dagegen der Kölner „Express“. Die „Bild“ überlegt laut, ob die Kathedrale angesichts ihres Schrumpfkurses irgendwann im Boden versinken wird. Hardering winkt ab. „Ich misstraue den neuen Messungen zwar nicht. Aber so ganz kann ich dem Braten auch nicht trauen. Es könnte an unterschiedlichen Messpunkten bei den Untersuchungen gelegen haben.“
Gemessen wurde 1985, 2000 und 2010. „Dabei waren die Nullpunkte bei den Messungen möglicherweise unterschiedlich angesetzt. Der Dom-Fußboden und die Domplatte haben verschiedene Nullpunkte, und man kann auch noch tiefer ansetzten“, sagt der Leiter des Dombauarchivs. Seine Erklärung: Die Messungen an dem Kölner Wahrzeichen seien präziser als in den Jahren zuvor und mit neuer Technologie durchgeführt worden.
„Die eigentliche Sensation ist, dass die beiden Türme nach den neuen Messungen nur eine Höhendifferenz von vier Zentimetern aufweisen“, meint Michael H.G. Hoffmann, Präsident des Zentral-Dombau-Vereins (ZDV). „Nur vier Zentimeter bei einem Bauwerk, das 1880 vollendet wurde — das ist nichts. Eine erstaunliche und sehr beachtliche Leistung“, sagt Hoffmann
Dass der gotischen Kathedrale neue Maße gegeben wurden, kam auf unspektakuläre Weise ans Licht — in einem Aufsatz für das 75. „Kölner Domblatt“. Das wissenschaftliche Jahrbuch des ZDV war am Montag vorgestellt worden.
„Da habe ich die launige Bemerkung gemacht, dass nicht nur Menschen im Alter schrumpfen, sondern wohl auch Kathedralen“, erzählt Hardering. Faktisch sei es aber eher so: Faktoren wie Kälte und Wärme oder die Ausdehnung von Materialien könnten die Höhe der Türme beeinflussen. „An Nord- und Südturm sitzen zudem an der obersten Spitze, an der Kreuzblume, die Blitzableiter. Die sind schon öfter getroffen worden.“ Auch das könne möglicherweise dazu führen, dass die Höhe sich verändere.
Der Dom gehört zu den größten und bedeutendsten Kathedralen weltweit. Der Bau begann 1248, wurde aber 1530 für Jahrhunderte aus Desinteresse und Geldmangel gestoppt. Erst 1842 ging es wieder an den Weiterbau, mit Mitteln aus der preußischen Staatskasse und Geld vom eigens zur Bauvollendung gegründeten ZDV, einem Zusammenschluss Kölner Bürger.
Die Höhe des Doms wird überall offiziell mit 157,38 Metern angegeben — nach dem bisher genannten Maß für den Nordturm. „Wir werden jetzt aber nichts umschreiben“, stellt Hardering klar. Die Messungen habe das damalige Landesvermessungsamt vorgenommen. „Wir messen jetzt selber nach“, sagt Hardering, „und werden einen eigenen Messpunkt setzen. Dann haben wir eine Stelle für verbindliche Ergebnisse.“
Übrigens: Ein weiterer Dom-Turm, der Dachreiter mit Sternspitze, ist den jüngsten Messungen zufolge gewachsen: Statt der bisher offiziellen glatten 109 Meter hat er nun auf 109,12 Meter zugelegt.