Der Professor aus dem Internet

Jörn Loviscach stellt Vorlesungen bei Youtube ein. Seine Videos wurden bereits sechs Millionen Mal geklickt.

Bielefeld. Der Nebenjob ist erledigt, für die Vorlesung blieb keine Zeit. Panik? Nicht bei Studenten der Ingenieurwissenschaften an der FH Bielefeld. Für viele von ihnen heißt es abends: Computer an — und entspannt lernen.

„Was ist die Divergenz eines Vektorfelds in zwei Dimensionen?“, fragt eine sonore Stimme im Internet und eine künstliche Hand zeichnet auf Youtube die Skizze einer Metallplatte. Studieren im 21. Jahrhundert.

Professor Jörn Loviscach ist im Netz ein Star. Rund sechs Millionen Mal wurden die Mathe- und Informatikvorlesungen des 47-Jährigen bisher geklickt. Knapp 300 Vorträge hat er seit April 2009 ins Internet gestellt — gegliedert in rund 1800 Videos.

„Eigentlich waren sie für zehn Studenten gedacht, die das erste Semester wiederholen mussten, den Kurs wegen des vollen Stundenplans aber nicht besuchen konnten“, sagt der Youtube-Prof, der inzwischen 11 000 Abonnenten hat. „Es hat sich verselbstständigt. Jede Vorlesung ist am gleichen Abend online.“

Laut Google-Statistik schauen selbst Ältere, aber auch Schüler die Videos an. „Ein Ingenieur schrieb mir, er verstehe endlich, was er seit Jahren so mache“, sagt Loviscach, der die Kurse mit einfachen Mitteln aufzeichnet.

Ein Tablet-PC, eine Webcam und ein USB-Mikro sind sein Werkzeug. „Die Studenten sehen die Vorlesungen im Hörsaal auf einer Leinwand“, erklärt er. Die transparente Wand, auf die der gelernte Physiker in Spiegelschrift schreibt, sei eine technische Lüge. Die Hand, die auch in der einfachen Version mit weißem Hintergrund zu sehen ist, ebenfalls.

Der Prof kennt die Tricks. Damit seine Videos fehlerfrei sind, schrieb er sogar Programme. „Wenn ich Blödsinn erzähle, kann ich die Stelle per Knopfdruck markieren und später herausschneiden“, sagt Loviscach, dessen salopper Duktus dem Stoff Leben einhaucht. Bruchtherme sind bei ihm gerne „monströs und eklig“. Eine Vorlesung sei keine Trauerveranstaltung, Frontalunterricht unerträglich.

Dank Loviscachs Videothek kann der Youtube-Prof inzwischen zum Vorlesungsstart eine Liste mit Links verteilen. „Die Studenten können die Videos am Tag vorher anschauen“, sagt er. Die Vorlesung werde so zur Übung.

Dass wegen der Videos ab und zu nur die Hälfte seiner Studenten anwesend ist, stört Loviscach nicht. „Ich weiß, dass viele nebenher arbeiten. Sie müssen auch etwas essen.“

youtube.com/user/JoernLoviscach