Deutsche Bahn: Vier krank, drei im Urlaub
Der Mangel an Zügen ist bekannt. Und nun plagen die Deutsche Bahn auch Personalprobleme — ausgerechnet an neuralgischen Stellen.
Berlin/Mainz. „Wir wollen Top-Arbeitgeber in Deutschland werden, und unsere Mitarbeiter können uns am besten zeigen, was uns dazu noch fehlt.“ Was Bahnchef Rüdiger Grube vor zwei Wochen formulierte, ist Teil der „Strategie DB 2020“. Unter dem Eindruck der Ereignisse im Mainzer Stellwerk klingt das fast ironisch. Den Mitarbeitern fehlen Kollegen. Von 15 Fahrdienstleitern waren diese Woche vier krank und drei im Urlaub. Nur acht von zehn Schichten konnten besetzt werden.
Weil das so ist, wird der Regional- und Fernverkehr in der Rhein-Main-Region bis mindestens Ende August eingeschränkt bleiben. „Ja, es ist mir peinlich“, sagt der Vorstandschef der Bahntochter DB Netz, Frank Sennhenn. Er hat diesen Posten erst seit Mai inne. Im Unternehmen heißt es, die Probleme seien auf Versäumnisse zurückzuführen, die drei Jahre zurückliegen. Offiziell spricht die Bahn von einem „Ausnahmefall“.
Ein Einzelfall ist der Engpass in Mainz aus Sicht der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) jedoch keinesfalls. Schon früher habe der Verkehr in der Region ausgedünnt werden müssen. „Und ich befürchte, das ist nicht das letzte Mal, dass es dazu kommt. Die Personaldecke ist so knapp, dass es künftig auch auf anderen Strecken immer wieder zu Zugausfällen aufgrund von Personalmangel kommen kann. Es gibt überall Stellwerke, die unterbesetzt sind“, sagt der EVG-Chef Alexander Kirchner in der „Welt“.
Schnelle Abhilfe in Mainz ist nicht in Sicht: Jedes Stellwerk hat seine eigenen technischen Details und verlangt Ortskenntnisse. Die Einarbeitung neuer Kollegen dauert mehrere Wochen. Damit nicht genug. Auch in anderen Bahnberufen sehe es nicht gut aus. „Wir leiden unter Personalknappheit im Konzern — nicht überall, nicht in allen Sparten“, berichtet Kirchner.
Bei der Bahn lässt man offen, wer die Verantwortung trägt. Personalvorstand Ulrich Weber wehrt sich aber gegen die Kritik: „Die Deutsche Bahn hat die Probleme des demografischen Wandels längst erkannt und steuert seit längerem um“, sagt Weber. Die Bahn habe in den vergangenen Jahren Zehntausende neue Mitarbeiter eingestellt und ausgebildet, viele davon als Ersatz für Beschäftigte, die in den Ruhestand gingen. 2012 seien es etwa 10 000 gewesen.
Unterm Strich kamen zu den bundesweit 12 000 Fahrdienstleitern im ersten Halbjahr 247 hinzu. Der EVG sind das aber noch viel zu wenige. Allein um die rund eine Million angehäuften Überstunden abzubauen, brauche man aber rund 1000 Fahrdienstleiter mehr.