Dialyse: Nach der Schule in die Klinik
Schweres Los für junge Patienten: Drei Mal die Woche zur Blutreinigung ins Krankenhaus.
Essen. "Wenn das so weiter geht, kannst du mir bald einen Rollstuhl kaufen", sagt Robin zu seinem Vater und lächelt bitter. Seine Beine zucken, und sein Gesicht ist angespannt. Er versucht, sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Seit fünf Stunden liegt der 17-Jährige in seinem Krankenhausbett auf der Kinderdialysestation der Uniklinik Essen.
Von draußen hört man eine freudige Kinderstimme auf dem Flur der Station. Kurze Zeit später betritt der zwölfjährige Shahin das gelb gestrichene Zimmer und hüpft auf sein Bett. Stolz präsentiert er den Krankenschwestern seine mitgebrachte DVD.
Für die beiden Jungen ist das Krankenhaus ihr zweites Zuhause. Mindestens drei Mal in der Woche kommen sie zur Dialyse. Weil ihre Nieren nicht mehr funktionieren, muss das Blut künstlich über eine Maschine gereinigt werden. Neben Shahin und Robin gibt es noch vier weitere junge Patienten auf der Station. Alle zwischen zehn und 17 Jahren alt.
Robin muss seit etwa sechs Monaten zur Dialyse. Bei einer Routineuntersuchung im Juni 2008 hat man bei ihm akutes Nierenversagen festgestellt. Krämpfe in den Beinen hatte er schon seit 2006. "Wir waren bei vielen Ärzten, aber die haben alle nichts festgestellt", sagt Robins Vater.
Shahin kommt jedes Mal extra aus Aachen. Neben den fünf Stunden im Krankenhaus kommen für ihn noch zwei bis drei Stunden Fahrt dazu. Shahin bleibt kaum Freizeit übrig.
Während Shahin gerade erst an die Dialyse angeschlossen wird, hat Robin schon fast die Hälfte geschafft. In seinem linken Arm stecken zwei Schläuche. Die etwa anderthalb Meter hohe Dialysemaschine saugt das Blut an und presst es durch einen Filter, der aussieht wie eine große Kuchenteigspritze.
Durch das Blut ist der Filter hellrosa gefärbt und fühlt sich ganz warm an. Auf einem Monitor sind Robins Werte zu sehen. Über einen weiteren Schlauch fließt das Blut zurück in Robins Körper. Auf seiner Handgelenksinnenseite kann man das Blut durch die Adern rauschen fühlen. Ein eigenartiges Erlebnis - es fühlt sich so an, wie wenn man einen Gartenschlauch in der Hand hält und mit viel Wasser die Blumen gießt.
Alle Kinder auf der Station warten auf eine Spenderniere. Bei Shahin wird es "nur" ein bis zwei Jahre dauern, bis er ein Organ bekommt. Das ist der Kinderbonus. Robin ist zu alt für den Kinderbonus. In etwa drei bis vier Jahren könnte es für ihn mit einer Transplantation klappen. Sein Vater käme auch als Spender in Frage. Ob er spenden kann, ist unklar. Er hat eine Narkosemittelallergie.
Mittagessenszeit für Shahin. Dampfende Kirschpfannekuchen mit Vanillesauce stehen auf dem Tablett. Es ist erst zehn Uhr, aber dem Zwölfjährigen schmeckt es trotzdem. Zu Hause muss er, wie alle Dialysekinder, eine spezielle Diät einhalten. In der Klinik dürfen in der ersten Dialysestunde auch mal ungesunde Sachen gegessen werden. Schließlich wird das Blut sowieso gereinigt.
Die Kinder neben ihm vertreiben sich die Zeit mit Fernsehen oder spielen mit der Erzieherin Karten. Aufstehen dürfen sie nicht. Zwischendurch kommt Stationsschwester Rita vorbei und misst den Blutdruck. Kinderlachen schallt durch den Raum. Eine Krankenschwester hat Shahins DVD eingelegt. "Bei Mister Bean macht Ferien vergeht die Zeit gleich viel schneller" , meint der Zwölfjährige. Und das Capri-Eis von Schwester Rita hellt die Stimmung zusätzlich auf.
Robin möchte kein Eis. Auch die Witze von Mister Bean können ihn nicht richtig zum Lachen bringen. Es ist vielmehr ein gequältes Lächeln. "Wie lange noch", fragt er mit schwacher Stimme seinen Vater. "Fertig. Jetzt muss nur noch die Schwester kommen", entgegnet dieser. Nach wenigen Minuten entfernt Schwester Rita die Schläuche aus Robins Arm. Der Katheter bleibt jedoch drin.
Langsam richtet sich Robin auf. Er braucht einige Minuten, bis er aufstehen kann. Schwindel plagt ihn. Zusammengesunken sitzt er auf der Bettkante und zieht sich die Schuhe an. Dann wankt er zur Tür. Sein Gang wirkt steif. Schritt für Schritt macht er sich mit seinem Vater auf den Heimweg. Morgen muss er wiederkommen. Übermorgen auch. Solange, bis es eine Spenderniere für ihn gibt.