Dortmund Die einstige Bierhauptstadt bildet fleißig Nachwuchs aus

Dortmund hatte früher einen Spitzenplatz bei der industriellen Bierproduktion. Das ist lange vorbei. Dafür sorgt die Westfalenstadt heute dafür, dass den Brauereien im Land der Nachwuchs nicht ausgeht.

Der Brauerei-Azubi schüttet in der Berufscshule Wasser in eine Sudpfanne, um Maische für ein Rauchbier herzustellen.

Der Brauerei-Azubi schüttet in der Berufscshule Wasser in eine Sudpfanne, um Maische für ein Rauchbier herzustellen.

Foto: Ina Fassbender

Dortmund. Früher einmal war Dortmund eine echte Metropole in Sachen Bier. Um 1900 reihte sich Brauerei an Brauerei. Zehn Liter Bier im Jahr ließen die Westfalen durch ihre Kehle laufen - damals ein Spitzenwert. „Westfalen war die preußische Provinz mit dem höchsten Bierkonsum“, sagt Bierhistoriker Heinrich Tappe. Heute ist das anders: Bier wird längst nicht mehr an jeder Ecke gebraut. Dafür zählt die Stadt jetzt aber zu den größten Standorten der Brauerausbildung. 121 Azubis lernen in einer kompletten Kleinbrauerei, wie aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser Bier gebraut wird.

Zum 500. Jahrestag des Reinheitsgebots haben die Oberstufenschüler zwei besondere Biere angesetzt. „Wir machen ein Rauchbier, wie es vor 500 Jahren gebraut wurden - mit Malz, das über Holz getrocknet wird und ins Holzfass kommt“, erklärt Julian Baum. Das zweite Bier wird nach modernem Rezept mit „Flavour Hops“ gebraut, also mit aromatischem Hopfen, der blumige und fruchtige Noten hat. So treffen zwei Biere mit dem Charakter von 1516 und 2016 aufeinander.

Dortmund beherbergt eine von acht Brauer-Berufsschulen in Deutschland. Drei davon liegen in Bayern (München, Kulmbach, Karlstadt) - dem Bundesland, das mit Nordrhein-Westfalen um Platz eins in der deutschen Bierlandschaft ringt. Beide stoßen rund 23 Millionen Hektoliter im Jahr aus, Bayern ist leicht vorn. Die anderen Schulen sitzen in Berlin, Bremen, Dresden und Ulm. Rund 900 Auszubildende zählen die acht Schulen.

Die Dortmunder Brauerschule wurde in der Blütezeit des örtlichen Bieres Anfang der 60er Jahre gegründet. In den 70er Jahren kam die Zeit, als die Einwohner ihren Bierkonsum auf 150 Liter im Jahr schraubten. Eckkneipen hatten Hochkonjunktur. In Dortmund wurden 7,5 Millionen Hektoliter Bier gebraut. „In Europa kenne ich keine Stadt mit einem höheren Bierausstoß“, sagt Historiker Tappe.

Heute braucht sich kaum noch eine Bierhochburg hinter Dortmund zu verstecken. Nach dem Brauereisterben und einem Übernahmekampf arbeitet noch eine Großbrauerei der Oetker-Tochter Radeberger Gruppe in der einstigen Biermetropole. Altbekannte Marken wie „Union“, „Kronen“, „Actien“, „Thier“ oder „Ritter“ werden am letzten großen Standort, der Actienbrauerei (DAB) im Dortmunder Norden gebraut. Neben der DAB brauen die Hausbrauerei Hövels und neuerdings wieder die Bergmann Brauerei in nennenswerten Mengen.

Die Großbrauereien, die NRW als Schwergewicht verteidigen, liegen inzwischen im Sauerland und im Siegerland und heißen Krombacher, Warsteiner und Veltins.

Bastian Faust lernt bei der bayerischen Großbrauerei Oettinger am NRW-Standort in Mönchengladbach. Sein Arbeitgeber liefert sich mit der Krombacher ein Kopf-Kopf-Rennen, dass die Siegerländer derzeit offenbar anführen. „Vor zwei, drei Jahren waren wir wohl mal größer“, sagt er in seiner blauen Oettinger-Latzhose und widmet sich schnell wieder dem heißen Sud in der Schulbrauerei.

Sechs Wochen je Halbjahr verbringen die angehenden Brauer und Mälzer während der drei Ausbildungsjahre in der Schule. „Die sind mit Herz und Seele dabei“, sagt Schulleiterin Sabine Droste. Das gilt wohl auch für den ältesten Auszubildenden. 64 Jahre ist er alt, hat einen Azubi-Vertrag in einer Kleinbrauerei und ist gelernter Fleischer. Dieses Jahr macht er seinen Abschluss. (dpa)