Die lange Unterhose: Mit neuen Farben gegen den schlechten Ruf

Berlin (dpa) - Auch mit langer Unterhose darf man sich männlich fühlen, findet ein Paartherapeut. Doch kaum ein Kleidungsstück hat so einen schlechten Ruf. Hersteller des „Liebestöters“ müssen sich da schon richtig was einfallen lassen.

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Es ist kalt in Deutschland - und Männer tun es wieder. Sie tragen lange Unterhosen. Viele genießen die Wärme um die untere Körperhälfte und schweigen. „Wenn man das erzählt, wird man ja eh nur veräppelt“, sagt ein Mann, 50 Jahre alt. Weil das so ist, will er sich als bekennender Lange-Unterhosen-Fan nicht zu erkennen geben. Das Wäschestück hat nicht den besten Ruf, gilt als völlig unerotisch, als „Liebestöter“, immer noch. Dabei wird die lange Unterhose doch gerade neu erfunden - so wollen es Anbieter jedenfalls verstanden wissen.

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Beim Wäschehersteller Bruno Banani etwa. Dort heißt die lange Unterhose nicht mal mehr so - sondern „Longjohns“. „Klingt hip“, findet eine Unternehmenssprecherin. Kommt ja auch aus der Surferszene und meint eigentlich die knallengen Neoprenanzüge mit langen Beinen. Gibt's was Männlicheres? Im vergangenen Sommer hat das Unternehmen eine neue Kollektion herausgebracht: eng anliegend, in gewagten Farben wie kobaltgrau, orange. „Wir haben dreimal so viel verkauft wie eingeplant“, sagte Geschäftsführer José Borge.

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Auch Schiesser sieht das verkannte Wäschestück bei den Jüngeren im Kommen. „In der Konsequenz werden die Designs jünger und trendiger, insbesondere auch was die Farben angeht.“ Die Klassiker gebe es natürlich weiterhin, erklärt das Unternehmen.

„Wann ist ein Mann ein Mann?“, fragt Herbert Grönemeyer. Man sei natürlich auch ein Mann, wenn man dieses wärmende Wäschestück trage, meint Paartherapeut Rüdiger Wacker. Mit der zunehmenden Durchlässigkeit von Männer- und Frauenrollen in den letzten 30 Jahren sei eine „irrationale Vorstellung von Männlichkeit“ entstanden: „Der richtige Mann hat Muskeln, ist durchtrainiert, der hat Bartwuchs, muss die richtige Frisur haben - und darf keine lange Unterhose tragen.“

Dabei sei dieses Ding doch nichts anders als andere spezialisierte Kleidung, wie eine Mütze, die man sich bei Kälte über die Ohren ziehe, oder eine Anglerhose. „Wer lange Unterhosen anhat, der hat ja wohl auch ein ausreichendes Selbstwertgefühl, wenn er sich um solche Vorurteile und Klischees nicht kümmert“, sagt der Psychologe.

Schon die alten Germanen wussten, was sie an der langen Hose hatten. Die langen Unterhosen gingen auf deren lange Beinkleider zurück, sagt die Leiterin des Modemuseums München, Isabella Belting. Im Mittelalter trugen Männer lange oder kurze Leinenunterhosen zum Schutz gegen die Kälte. Auch im 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg waren lange Unterhosen regelrecht in.

„Die klassische lange Unterhose in Feinripp ist leicht rücklaufend“, sagt Christoph Heinzmann, Designer des Wäscheherstellers Mey. Wirklich viel getragen werde Funktionsunterwäsche. Denn eine lange Unterhose müsse im Alltag richtig viel können: Wasserdampf durchlassen, Feuchtigkeit transportieren, Temperaturen ausgleichen. Davon aber mal abgesehen, immer weniger Berufe spielten sich doch im Freien ab: „Für jemanden mit Bürojob ist es fraglich, ob man den ganzen Tag eine lange Unterhose tragen möchte. Da friert man lieber den Weg vom Auto ins Büro.“