Die modische Seite des US-Wahlkampfs
New York (dpa) - Es war der Abend der zweiten Fernsehdebatte im US-Wahlkampf. Präsident Barack Obama und sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney diskutierten über Steuern, Frauenrechte und Libyen, aber viele Amerikaner sahen vor allem eins: Pink.
Und zwar gleich zweimal. Sowohl „First Lady“ Michelle Obama als auch Romneys Ehefrau Ann trugen grellpinke Outfits - Obama als Kleid und kurzes Jäckchen von Michael Kors, Romney kurzärmelig von Oscar de la Renta. Sofort kochten die Kommentare bei Facebook und Twitter hoch: Zufall? Absicht? Peinlich? Und - wem stand die Farbe besser? Unumstritten blieb laut „Huffington Post“ nur eins: „Pink war die Farbe der zweiten Debatte.“
Schon lange können Kandidaten und Ehefrauen im US-Wahlkampf morgens nicht mehr irgendetwas aus dem Schrank ziehen und überwerfen. Ihre Kleidung ist zum Politikum geworden und das Internet hat diese Entwicklung beschleunigt. Jedes Outfit wird fotografiert, tausendfach weiterverbreitet, analysiert und kommentiert. Farbe, Designer, Stil, Passform, Rocklänge, Preis - überall können politische Aussagen hinein interpretiert oder auch aktiv erzeugt werden.
Fashion-Queen dieses Wahlkampfs ist nach Meinung vieler Beobachter erneut Obamas Ehefrau Michelle. Unter Mode-Experten galt sie sowieso bereits vor dem Amtsantritt ihres Mannes als Ikone und landet regelmäßig auf den Listen der bestangezogendsten Prominenten der Welt. Wer auf Englisch die Wörter „Michelle Obama“ und „Mode“ googelt, bekommt mehr als 118 Millionen Treffer. Beliebte Blogs wie „Mrs-O“ beschäftigten sich ausschließlich mit den Kleidern der „First Lady“. Einige ihrer Auftritte - beispielsweise in rot-schwarz von Narciso Rodriguez bei der Wahlparty 2008 in Chicago oder im kurzärmeligen weiß-glitzernden Jäckchen von J. Mendel in London dieses Jahr - gelten als legendär. Die weiße Jason Wu-Robe mit nur einem Träger, mit der Obama beim Ball zur Amtseinführung ihres Mannes weltweit Schlagzeilen machte, schaffte es ins Smithsonian Museum in Washington, wo auch Kleider früherer „First Ladys“ ausgestellt sind.
Obamas Rezept: Viele junge Designer, häufig unbekannt und gerne Amerikaner mit Migrationshintergrund, preiswerte, meist bunte Kleider, nicht selten auch von der Stange oder aus normalen Kaufhäusern. Zudem zieht sie ein Kleid auch mal häufiger an und peppt es dann mit Accessoires wie Armreifen auf. Die Botschaft: Auch eine „First Lady“ kann auf dem Boden bleiben, kauft - ganz die gute Hausfrau - Portemonnaie-schonend ein und unterstützt die heimische Wirtschaft. Viele Amerikaner lieben sie dafür und kaufen begeistert alles nach, was Obama vorträgt. Mehrere Jungdesigner - darunter beispielsweise Jason Wu oder Prabal Gurung - hat sie schon zu Stars gemacht. Aber auch Kritik geerntet - besonders für ihre häufig entblößten, sehr muskulären Arme. Darf eine „First Lady“ bei öffentlichen Anlässen soviel Haut zeigen? Die Diskussionen darüber scheinen nicht enden zu wollen.
Konkurrentin Ann Romney jedenfalls gibt sich meist bedeckter. Aber auch sie hat während des Wahlkampfs ihr Image der biederen Hausfrau modisch immer besser bekämpfen können - mit ähnlichen Mitteln wie Obama. Romney trat in Kleidern und Kostümen von etablierten Designern wie Oscar de la Renta oder vergleichsweise neuen wie Reed Krakoff auf, aber auch in günstigen Stücken der Mode-Kette J. Crew. Trotzdem blieb die Begeisterung weitgehend aus. „Sie ist hübsch, sie ist blond und - anders als frühere potenzielle "First Ladys" - interessiert sie sich für Mode“, schrieb der Style-Blog „Fashionista“. „Wir finden, dass sie immer irgendwie nett aussieht, aber eben konservativ.“ Auch die Mode-Industrie reiße sich nicht um Romney.
Sie sei eben keine „Fashionista“ und wolle das auch nicht sein, verriet Alfred Fiandaca, einer ihrer Lieblingsdesigner, der Geschäfte in Boston und Florida betreibt. Romney zeigte sich bereits mehrfach in seinen Kreationen - beispielsweise in cremefarben bei einer Fernsehdebatte ihres Mannes, in rot beim Nominierungsparteitag oder in schwarz in Jay Lenos Fernsehshow.
Männer haben diese Probleme nicht? Weit gefehlt! Auch wenn Mitt Romney und Barack Obama meist in Anzug und Krawatte auftreten, bieten auch diese Kleidungsstücke viel Gesprächsstoff. Und auch hier hat der amtierende Präsident, der es wie seine Frau schon auf Listen bestangezogener Prominenter geschafft hat, meist die Nase vorn. Style-Experten loben seine meist in Chicago maßgeschneiderten Anzüge. An Romney kritisieren sie dagegen unter anderem die Haare. „Sind sie nass? Oder ist das Runway-Gloss-Spray?“, twitterte eine Redakteurin der „Vogue“ spöttisch. Und auch die Krawatten-Kategorie gewinnt - zumindest der „New York Times“ zufolge - meist Obama, beispielsweise bei der dritten Fernsehdebatte: „Romneys Krawatte war rot mit anscheinend lila-farbenen Streifen - es hat nur die Aufschrift "Bester Vater der Welt" gefehlt, dann wäre sie ein perfektes Beispiel dafür gewesen, was man nicht zum Vatertag verschenken sollte.“