Die „starken Frauen“ bei Beuys
Bedburg-Hau (dpa) - Joseph Beuys und die Frauen - das ist ein nicht nur kunsthistorisch bisher wenig erforschtes Gebiet. Der Meister von Fett und Filz (1921-1986) war auch ein begnadeter Zeichner. In den 1950er Jahren bis Mitte der 60er Jahre gehörten Frauen zu seinen häufigen Motiven.
Weibliche Wesen zwischen Mythos und Fantasie malte Beuys mit Beize, Bleistift oder Braunkreuzfarbe auf alle möglichen Papierreste, Schnipsel oder Packpapier. Im niederrheinischen Museum Schloss Moyland werden unter dem Motto „Starke Frauen“ bis September rund 30 Frauenzeichnungen des Ausnahmekünstlers gezeigt.
Fast unermüdlich habe Beuys in den 50er Jahren Frauen, Frauenkörper, Torsi gezeichnet, sagt die Museumschefin Bettina Paust. Hat Beuys' Hinwendung zu Frauendarstellungen mit seiner persönlichen Erfahrung zu tun? Mitte der 1950er Jahre glitt Beuys in eine persönliche und künstlerische Krise ab und zog sich zunehmend zurück. Angeblich hatte ihm seine Verlobte - ihr Name ist unbekannt - den Verlobungsring Weihnachten 1954 zurückgeschickt.
In seiner Biografie über Beuys schreibt Hans Peter Riegel, der Künstler habe als Auslöser für seine Krise unglückliche Liebesgeschichten angeführt, aber auch das Gefühl, „alles falsch angepackt“ zu haben. „Beuys war damals ein gutaussehender, lebensbejahender junger Mann, der von Frauen umworben wurde“, zitiert Riegel Sonja Mataré, die Tochter von Beuys' Lehrer Ewald Mataré. Von 1957 bis 1964 mietete Beuys Atelierräume im damals leerstehenden Kurhaus Kleve, wo er sich künstlerisch neu erfand. 1958 lernte er seine zukünftige Frau Eva kennen.
Hirsche und Elche, Hasen und Bienen bevölkern die Zeichenwelt des Künstlers, dem „schamanische“ Energien zugesprochen wurden. Rätselhaft sind auch seine Frauendarstellungen, die er in einer Zeit schuf, in der er sich nach den Worten Pausts „verloren und wiedergefunden hatte“.
Die Körper von Frauen und Tieren verschmelzen miteinander. Auf dem Rücken eines Elches liegt eine nackte Frau, sie scheint sich an dessen Geweih festzuhalten und eins zu werden mit dem Tier. Auf einer anderen Zeichnung steht eine Frau hinter einer mit Bleistift gemalten Ziege. Manchmal erinnern die Frauen mit breiten Becken an prähistorische Kultfiguren, dann wieder an grazile expressionistische Skulpturen mit überlangen Gliedmaßen.
Die Frauen in den Darstellungen von Beuys tragen oft keine individuellen Gesichtszüge, die Figuren gleiten in mythische Wesen über. „Das weibliche Prinzip“, sagte Beuys 1979, sei für ihn die Frau „als Heldenfigur, als Amazone, als Aktrice, die eine gewisse Führungsrolle übernimmt, also viel heroischer und kämpferischer als der Mann“ sei. Um „geistige Kraft und Potential“ auszudrücken, verwende er oft die weibliche Figur, weil er „an das Weibliche im Allgemeinen“ glaube. Die Frau ist für Beuys die Trägerin von Lebensenergie. Sie weist den Weg zurück zur Einheit von Mensch und Natur.
Beuys selbst soll im übrigen im Umgang mit Frauen eher „patriarchalisch und altmodisch“ gewesen sein, meint Biograf Riegel. Beuys habe mit Männern besser umgehen können als mit Frauen. Gleichzeitig sei er aber auch ein „Womanizer par excellence“ gewesen, und ein „Macho“.
Beuys gilt übrigens auch als Erfinder des „Hausfrauengehalts“. Jahrzehnte vor der umstrittenen „Herdprämie“ und Elterngeld forderte er schon auf der documenta 1972 die „Anerkennung der Haushaltstätigkeit als Beruf“. Hausfrauenarbeit müsse als Leistung auch bezahlt werden. Dass auch Männer Hausarbeit machen können und Frauen Karriere, so weit dachte Beuys wohl noch nicht. Immerhin prognostizierte er 1980: „Frauen haben eine große Zukunft.“