Viernheim „Direkt auf meinen Kopf gezielt“ - Bewaffneter überfällt Kino

Panik in einem Kino in Hessen. Ein bewaffneter Mann gibt Schüsse ab. Der Schock sitzt tief.

Polizeibeamte stehen in Viernheim (Hessen) vor dem Kino, in dem sich ein bewaffneter Mann verschanzt hatte.

Foto: Boris Roessler

Viernheim (dpa) - „Ice Age - Kollision voraus“ prangt auf dem Plakat über dem Eingang zum Kinopolis-Kino in Viernheim. Doch was sich am Donnerstagnachmittag in dem Filmpalast in dem hessischen Städtchen abspielt ist keine Fiktion. Schwerbewaffnete Polizisten verlassen das Gebäude. Das Café auf dem Vorplatz ist geräumt. Ein bewaffneter Mann soll in dem Kino mehrere Schüsse abgegeben haben. Die Polizei erschoss ihn.

Beamte eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei (SEK) verlassen das Kinopolis-Kinocenter in Viernheim

Foto: Boris Roessler

Die Polizei hat die Gegend weiträumig abgesperrt. Ein Hubschrauber kreist über dem Gelände. Dem 21-jährigen Kino-Mitarbeiter Guri Blakaj steht der Schreck noch ins Gesicht geschrieben. „Wenn man eine Waffe an den Kopf bekommt, hat man Angst“, sagt er. Nach Blakajs Schilderung war den Mitarbeitern am Nachmittag ein Mann mit Sturmhaube und einer langen Waffe aufgefallen. „Zuerst dachte ich, das ist ein verkleideter Kunde“, sagt Blakaj. Viele Besucher verkleideten sich passend zu den Filmen, die sie besuchten. „Erst als er dann zu uns kam mit der Waffe und uns aufgefordert hat, uns auf den Boden zu legen, da hab' ich gemerkt: Es ist ernst.“

Dann habe der Mann die Angestellten gefragt, ob die Türen zu seien. Blakaj habe sie geschlossen. „Die letzte Tür hat geklemmt, da hat er mit der Waffe direkt auf meinen Kopf gezielt.“ Geld habe er nicht gewollt. Der Täter habe ihn dann nach oben in die Personalräume geschickt. Im Aufzug habe er gehört, wie auf einen Kollegen geschossen wurde. Der sei aber unverletzt geblieben. Zu der Zeit hätten sich etwa 30 bis 40 Menschen in dem Kino aufgehalten.

Durch die Überwachungskamera hätten er und seine Kollegen verfolgt, wie der Täter durchs Foyer gelaufen sei. Er wirkte verwirrt, sagt Blakaj. Wie die Polizei ihn überwältigte, habe er nicht mitbekommen. Den Täter beschreibt Blakaj als „klein, schwarzhaarig und 18 bis 22 Jahre alt“.

Die Tat weckt Erinnerungen an einen Vorfall in den USA aus dem Jahr 2012. Während der Mitternachts-Preview eines „Batman“-Films tötet ein 24-Jähriger in einem Kino in Aurora (Colorado) 12 Menschen und verletzt 70. Es ist eine Angst, die auch hierzulande aufkommt: ein bewaffneter Einzeltäter an einem Ort, wo viele Menschen sind und man kaum für hundertprozentige Sicherheit sorgen kann.

Was sich in dem normalerweise stark besuchten Kino genau abgespielt hat, ist auch am frühen Abend noch nicht bekannt. „Uns wurde im ersten Zug der Meldung mitgeteilt, dass Schüsse gefallen sein sollen“, sagt der Darmstädter Polizeisprecher Bernd Hochstädter. Viermal soll der Täter gefeuert haben, mit was für einer Waffe ist nicht bekannt.

Eines kann Hochstädter verbindlich sagen: „Es gibt keinen Hinweis, dass es sich um einen islamistischen Hintergrund handeln könnte.“ Verletzte hat es seines Wissens nach ebenfalls nicht gegeben. Laut einer Polizei-Mitteilung war der Täter maskiert.

Rund um das Kino, das bei 37 Grad im gleißenden Sonnenlicht liegt, wimmelt es inzwischen von Polizei. Es seien viele Kräfte aus Südhessen zusammengezogen worden, sagt Hochstädter. Sie wurden von Spezialeinsatzkräften verstärkt. Polizisten mit Maschinenpistolen sind an der Tiefgaragenausfahrt des Kinos postiert. Hinter dem Gebäude suchen Beamte das Gebüsch ab.

Oguzhan Türk, Verkäufer in einem Geschäft neben dem Kino, erinnert sich, wie eine Kinomitarbeiterin mit Panik im Blick in sein Geschäft gelaufen kam. „Ich wurde mit einer Waffe bedroht“, habe sie gerufen und von einem Überfall gesprochen. „Rufen Sie sofort die Polizei“, schildert er ihre Aussage. Sie sei „sehr geschockt“ gewesen. „Die hat gezittert, mit der konnte man gar nicht mehr reden.“

Er habe die Polizei angerufen und mit ihr telefoniert, bis die Leitung nach einer halben Stunde unterbrochen worden sei. Dann seien viele Mitarbeiter aus dem Kino gelaufen. „Die haben am Telefon gefragt, ob gerade eine Vorstellung läuft.“ Es war 14.47 Uhr - um 15.00 Uhr hätte die erste beginnen sollen. Es waren Kinder, die auf den Film gewartet hatten.

„Angst war da“, sagt Türks Chef Nusret Acik, der mit seinem Angestellten in dem Laden wartete. Der Laden sei früher ein Juwelier-Geschäft gewesen und mit Panzerglas gesichert. Die Frage sei allerdings, ob dieses halte, wenn einer mit einer Kalaschnikow darauf schieße. „Wenn der Tod kommt, kommt er überall“, sagt Acik.