Dokusoap "Real Cool Runnings": Rutschgefahr für Anni Friesinger
Die erfolgreiche Wintersportlerin bringt vier Kenianern das Eisschnelllaufen bei. Ein Balanceakt mit Fremdschäm-Potenzial.
Inzell. Anni Friesinger ist aufgeregt. „Jetzt kribbelt’s bei mir“, sagt sie, bevor sie im kenianischen Läuferzentrum Eldoret auf 30 junge Männer trifft. Friesinger und Physiotherapeut Michael Stöberl nehmen vier von ihnen mit nach Deutschland, ins Eisschnelllauf-Mekka Inzell. Dort werden sie vorbereitet auf das 100-Kilometer-Rennen auf dem Weissensee in Österreich, wo sie als „Team Kenia“ teilnehmen sollen, wie es etwas großspurig heißt.
Vorher müssen sie allerdings erst mal lernen, mit Schlittschuhen umzugehen. Und mit den bayrischen Sitten. Man ahnt: Dieser fürs Fernsehen inszenierte Kulturschock wird in jeder Beziehung ein Balanceakt. Der Privatsender Vox walzt die Geschichte, die eigentlich schnell erzählt wäre, auf neun Folgen aus. Jedes Detail wird gezeigt — was gleich in der Doppelfolge zu Beginn unangenehm auffällt, als sogar Friesingers Toilette im „landestypischen Gästehaus“ in Kenia besichtigt wird.
Der Titel „Real Cool Runnings“ spielt auf einen Kinofilm an, bei dem sich Sportler aus Jamaika erstmals in einen Bob setzen, weil sie von Olympia träumen. Während der Film bei den Zuschauern durchaus für Lacher sorgte, hat die Fernsehserie in einigen Szenen eher Fremdschäm-Potenzial.
So stolpern die vier Kenianer ständig auf Inline-skates durch die Gegend und nehmen im Hotel ratlos einen Haarföhn in die Hand. In Bayern werden Sammy (27), Amos (21), Leonard (24) und Isaac (24) überaus herzlich empfangen. So herzlich, dass man beinahe wieder froh ist über den Zwischenruf von Oma Hirschbichler: „Kennen die einen Gott?“, fragt sie skeptisch, als ihr Sohn den Neuankömmlingen in seinem Gasthof erklärt, dass man sich in Bayern mit „Grüß Gott“ willkommen heißt.
Anni Friesinger geht an die Begegnung mit den Afrikanern locker heran. Manchmal etwas zu locker. Die Medien haben die dreifache Olympiasiegerin immer geliebt, wegen ihres sportlichen Erfolgs, vor allem aber wegen ihres frischen, natürlichen Auftretens. „Da sind schon ein paar Träume — puff, puff — geplatzt“, sagt sie munter, nachdem sie den (ebenfalls authentisch) verblüfften Kenianern das stramme Ausleseverfahren für die Reise nach Deutschland — vier aus 30 in zwei Tagen — erläutert hat.
Aber Friesinger kann man einfach nicht böse sein, nicht einmal, als sie die doch eher bescheidene Lehmhüttenküche von Sammys Mutter „super idyllisch“ findet, weil das „so ein bisserl wie bei uns“ ausschaut, „bei den Berghütten“. Sie fühlt in jedem Fall authentisch mit: Als Isaacs kleine Nichte beim Abschied weint, weint sie mit.