Mord vor Barockkulisse Dresden-„Tatort“ mausert sich zum Thriller

Dresden · Auch der 11. Fall des Ermittlerinnen-Duos um Kommissariatsleiter Schnabel zehrt an den Nerven. Diesmal erwischt es einen Sanitäter.

Der neue Tatort aus Dresden findet vor schöner Kulisse statt, zerrt jedoch an den Nerven.

Foto: dpa/Christin Klose

Schöne Kulisse und menschliche Abgründe: „Wer denkt sich denn sowas aus?“ Kommissariatschef Schnabel (Martin Brambach) kann es nicht fassen. Unter einer Elbbrücke - am berühmten Canaletto-Blick auf das Barockpanorama der Altstadt - liegt ein Sanitäter. Er wurde im Rettungswagen getötet, während seine Kollegin ganz in der Nähe eine Obdachlose versorgte. „Sieht nach Elektroschocker aus“, sagt Oberkommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel). Es ist ein Mordfall mit brisantem Hintergrund, den das Erste am Sonntag um 20.15 Uhr unter dem Titel „Rettung so nah“ zeigt.

Das Opfer ist Tarik Wasir, ein syrischer Flüchtling. Er wurde mittels Kabelbinder an das Lenkrad des Einsatzwagens gefesselt, eine Plastiktüte über dem Kopf. Greta (Luise Aschenbrenner), seine Kollegin, steht geschockt rauchend am Elbufer und beantwortet wie abwesend die Fragen der Ermittler. „Warum?“, fragt sie ins Leere. Nicht erst von nun an fährt die Angst mit zu jedem Einsatz.

War es ein politischer Hintergrund, was Persönliches oder Gewalt gegen Einsatzkräfte? Schnabel, Winkler und Oberkommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) fischen im Trüben. „Wir werden ständig beschimpft, bespuckt, bedroht, aber so etwas?“, beschreibt Greta alltägliches Erleben im Job und fragt dennoch. „Warum?“ Für die Ermittlerinnen hat die Tat „etwas Inszeniertes, fast wie eine Hinrichtung“.

Für Drehbuchautor Christof Busche ist die reale Gewalt gegen Rettungskräfte ein spannendes Thema. „Es ist ein Job, in dem es um Extremsituationen geht.“ Er wollte „einen Fall erzählen, der, nach allem, was ich gehört habe, auch gestandenen Rettungssanitätern wirklich an die Nieren geht und sie aus dem Gleichgewicht wirft“.

Er erzählt das aus der Perspektive von Greta, alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter. Ihr Schicksal hat Regisseurin Isabel Braak („Die Bestatterin“) am meisten interessiert. Aschenbrenner („Fabian“) spielt sie besonnen, ruhig, bodenständig, zugleich verletzlich und überfordert. „Ich mag es, dass Greta auf eine unaufgeregte Weise besonders ist“, sagt die seit 2017 in Dresden engagierte Schauspielerin. Greta ist der 25-Jährigen vertraut: „Wir haben die gleiche Stimme, dieselbe Gestik, Mimik, dasselbe Lachen und die gleiche Traurigkeit.“ Und wie die Figur investiert die „Tatort“-Erfahrene „gerne viel Zeit und Leidenschaft in den Beruf“.

Schließlich finden Winkler und Gorniak in den alten Akten eine mögliche Erklärung für die Tat: ein missglückter Einsatz von Greta und Tarik, bei dem ein Mädchen starb - laut Drehbuchautor Busche die größte Angst der Sanitäter. Auch Greta treibt das um.

Die Kommissare nehmen die Zuschauer mit in diese raue Welt der Retter, deren zuweilen überfordernden Job und privaten Nöte, in menschliche und psychische Abgründe. Es gibt mehrere Ebenen, Rückblicke und einige Sackgassen. Für Gorniak und Winkler sieht die Tat inszeniert aus, „fast wie eine Hinrichtung“. Doch dann verunglückt ein Rettungswagen auf dem Weg zum Einsatz und noch ein Sanitäter kommt ums Leben. Schnabel will die Wache erst sofort schließen, gibt aber dann unter einer Bedingung nach. „Ab jetzt fährt in jedem RTW ein Beamter mit.“

Gorniak geht als Erste mit auf Tour - und erlebt die Bedrohung hautnah mit. Greta indes fühlt sich schon länger verfolgt und hat Angst, wann „er“ zuschlägt. Regisseurin Isabel Braak setzt bei ihrem „Tatort“-Debüt die Figuren mit Empathie in Szene und macht mit Dunkelheit und Musik Düsternis und Bedrohlichkeit spürbar. Bis zum Schluss liegen die Kommissare daneben. Greta hält die Angst und Ungewissheit nicht mehr aus - und stellt einen Mann zur Rede, den sie dafür verantwortlich macht.

(dpa)