Strafvollzug Drohnen überfliegen Knastmauern
Rheinmetall hat an einem Schweizer Gefängnis ein System installiert, das die Eindringlinge aufspürt. Der NRW-Strafvollzug wartet noch ab.
Düsseldorf. Gefängnismauern sind für Häftlinge schwer zu überwinden. Aber für diejenigen, die von außen etwas in die Haftanstalt einschmuggeln wollen, wird dies immer einfacher: mittels ferngesteuerter Drohnen lassen sich kleinere Gegenstände, womöglich sogar Waffen transportieren.
Die Fälle werden selten öffentlich. Die Justizverwaltungen haben kein Interesse daran, diese an die große Glocke zu hängen. In die Medien schaffte es vor gut zwei Jahren ein Fall aus Hamburg, wo eine Drohne auf das Dach einer Haftanstalt stürzte. Daran hingen ein Päckchen mit Mobiltelefon, ein USB-Stick und zwei Gramm Marihuana.
„Ereignisse mit ferngesteuerten Drohnen, die verbotene Gegenstände auf das Gelände von Justizvollzugsanstalten transportieren, haben in den letzten Jahren weltweit in hohem Maße zugenommen. In deutschen Justizvollzugsanstalten (JVA) ist es in den vergangenen Monaten beinahe wöchentlich zu Vorfällen gekommen“. Das sagt Oliver Hoffmann, Sprecher von Rheinmetall. Dass ausgerechnet der Düsseldorfer Rüstungs- und Technologiekonzern das Thema auf die Tagesordnung bringt, hat damit zu tun, dass das Unternehmen in der Schweiz von zwei Haftanstalten mit der Installation jeweils einer Drohnen-Detektionsanlage beauftragt worden ist. Und zuversichtlich ist, dass man auch deutsche Bundesländer als die für den Strafvollzug zuständige Stellen überzeugen kann.
Fabian Ochsner ist Vizedirektor Geschäftsentwicklung und Marketing bei Rheinmetall. Der für das Drohnenabwehrsystem Radshield zuständige Manager erklärt, wie das soeben an der Schweizer JVA Lenzburg für Kosten von rund 150 000 Euro installierte System funktioniert. „Es geht um die bloße Detektion, also um die Registrierung von in die JVA einfliegenden Drohnen oder auch von geworfenen Gegenständen — bis herunter zur Größe eines Tennisballs. Rund um die JVA wurden zwölf Sensoren installiert. Das System basiert auf Elektrooptik (Kameras) und Radar. Das Anzeigesystem ist in der Einsatzzentrale des Gefängnisses installiert und benötigt keine Bedienung.
Wird von einem der Sensoren der Einflug eines Objekts registriert, so gibt es einen Warnton. Der nun alarmierte Bediener kann den jeweiligen Sensor anklicken und sich per Videoreplay die Szene anzeigen lassen, die zur Auslösung des Alarms führte. Das Objekt, seine Höhe, Geschwindigkeit und Flugbahn werden gezeigt. Die Gefängnisaufsicht kann dann entsprechende Maßnahmen ergreifen, das Objekt zu finden oder die betroffenen Bereiche der JVA zu sperren, gegebenenfalls Häftlinge oder deren Zellen zu durchsuchen.
„Die Kenntnis, dass da etwas eingedrungen ist, ist das Entscheidende. Nehmen die Beamten das nicht wahr, steht es 1:0 für die Gefangenen“, sagt Ochsner. Ebenso werden auch Ausbrüche von Gefangenen frühzeitig registriert.
Auf die Frage, ob das System für Haftanstalten in NRW geeignet sei, gibt sich Detlef Feige, Sprecher des Justizministeriums, zurückhaltend. Man habe bereits Systeme unterschiedlicher Anbieter betrachtet. „Aufgrund des rasanten technischen Fortschritts der Drohnen ist bisher noch kein System installiert worden. Wir werden die technische Entwicklung aber genau beobachten und unsere Sicherheitsvorkehrungen anpassen.“
In NRW wurden seit 2013 acht Überflüge von Drohnen im Luftraum über Justizvollzugsanstalten bekannt: zwei davon in der JVA Aachen, drei in der JVA Düsseldorf und je einer in Essen, Iserlohn und Köln. Im Zusammenhang mit diesen Überflügen wurden weder ein Abwurf von Drogen oder verbotenen Gegenständen noch sonstige Beeinträchtigungen der Sicherheit der Justizvollzugsanstalten festgestellt.
Die offiziellen Zahlen sagen freilich nichts darüber aus, ob und wie viele unentdeckte „Eindringlinge“ es gab. Im NRW-Strafvollzug ist laut Justizministerium die Feinvergitterung an Haftraumfenstern bei geschlossenen Anstalten als Standard festgelegt. Damit soll dem „direkten Anliefern von Gegenständen direkt am Haftraumfenster“ entgegengewirkt werden.
Rheinmetall-Sprecher Oliver Hoffmann sagt, das Unternehmen habe Kontakte zu bundesweit vier bis fünf Haftanstalten, die sich für das System interessierten. Man sei damit im Übrigen nicht nur auf den Einsatz an Haftanstalten interessiert. Mit zunehmender Popularität der Drohnen gebe es zahlreiche weitere Anwendungsgebiete — vom Chemiewerk über Fußballstadien bis zum Flughafenbetreiber.
Hoffmann nennt auch einen anderen Fall, in dem er sich die Anwendung der Drohen-Detektion vorstellen kann: Wenn etwa ein Autohersteller auf einem räumlich begrenzten Gebiet seine neuen Prototypen teste und das Aussehen unbedingt geheim halten wolle, andererseits aber Fotojournalisten diesen sogenannten Erlkönigen mit Hilfe von Drohnen auf die Spur kommen wollten.