Dürer-Schau entfacht Interesse an Nürnbergs Burgviertel
Nürnberg (dpa) - Es ist nicht gerade das, was man sich unter einer Touristen-Attraktion vorstellt: Eine schmuckloses fünfgeschossiges Wohnhaus im Stil der 70er Jahre, im Erdgeschoss ein peruanisches Speiselokal, nebenan das Volkswohnungswerk.
Trotzdem zieht es seit ein paar Wochen viele Nürnberg-Touristen genau dorthin, in die Burgstraße 27. Hier stand einst das Elternhaus des großen Malers Albrecht Dürer. Davon zeugt heute allerdings nicht viel mehr als ein kleines Messing-Schild; das eigentliche Elternhaus war im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs ausgebrannt.
Dennoch: Die im Mai eröffnete Ausstellung „Der frühe Dürer“ im etwa zehn Gehminuten entfernten Germanischen Nationalmuseum hat ein ungeahntes Interesse am Viertel rund um die Burgstraße entfacht. Eine Quartier, das bisher nicht gerade zu den bevorzugten Vierteln von Nürnberg-Besuchern gehörte, wird mit dem Dürer-Boom auf einmal zum Magneten für Dürer-Touristen. Immer mehr Kunstfreunde begeben sich dort auf Spurensuche, spüren jenen Orten nach, die nach neuesten Ergebnissen der Dürer-Forschung einst das Malergenie prägten.
Den Anstoß dazu liefert die Dürer-Ausstellung. Räumt sie doch mit dem jahrhundertealten Mythos von einem Albrecht Dürer auf, den allein sein Talent zum Maler-Genie machte. Nach neuesten Ergebnissen der Forschung hat den Sohn eines Goldschmiedemeisters erst das kreative und innovative Umfeld in der direkten Nachbarschaft zu dem gemacht, was er wurde. „Dürers Elternhaus am Burgberg 27 war ein Kreativ-Zentrum, ein Promi-Hügel der Dürer-Zeit, die Stadt Nürnberg eine Boomtown der Renaissance“, formuliert es Ausstellungskurator Daniel Hess.
Inzwischen sind viele der vom Germanischen Nationalmuseum angebotenen Kombi-Führungen ins Burgviertel ausgebucht. Daher bleibt vielen Kunstfreunden nichts anderes übrig, als sich allein auf die Spurensuche zu begeben. Helfen soll ihnen vom 30. Juni an die Freiluftausstellung „Dürers Nachbarschaft - Gönner, Paten, Spekulanten“. Sie besteht im wesentlichen aus Holzskulpturen. „Diese werden wir an jenen Standorten im Burgviertel aufstellen, wo früher Leute gelebt haben, die in Dürers Leben eine wichtige Rolle gespielt haben“, erläutert der für das GNM-Projekt zuständige Mitarbeiter Sebastian Gulden.
Der Besucher kann dabei hautnah erleben, auf welch engem Raum seinerzeit die künstlerische und wirtschaftliche Elite der Dürer-Zeit zusammenlebte - und sich und den jungen Dürer mit neuen Ideen befruchtete. Da war etwa der bedeutendste Verleger seiner Zeit, Anton Koberger (Burgstraße 3); von ihm lernte Dürer, wie sich dank moderner Drucktechniken sein Werk lukrativ vermarkten lässt. Der Immobilienmagnat und Kunstmäzen Sebald Schreyer (Burgstraße 9) zog Dürer bei mehreren Buchprojekten als Illustrator heran. Von Michael Wohlgemut (Burgstraße 21) lernte Dürer das Maler-Handwerk.
Thomas Schauerte kann sich in die Lage von Dürer-Anhängern gut reinversetzen. Bevor der Kunsthistoriker vor drei Jahren von Trier nach Nürnberg wechselte, um die Leitung des Dürer-Hauses zu übernehmen, gehörte er schon zu den besten deutschen Dürer-Kennern. „Aber vieles wurde mir erst vor Ort klar“, räumt Schauerte ein. „Diese Dichte und Konzentration in Sachen Dürer-Gedenken gibt es einfach nur in Nürnberg“. Vieles davon könne man erst begreifen, wenn man sich in Nürnberg auf die persönliche Spurensuche Dürers begebe.
Mit der Chefin des Nürnberger Tourismus- und Congress-Zentrale, Yvonne Coulin, ist sich Schauerte daher einig: „Mit der Ausstellung und dem neugeweckten Interesse an Dürer wird Nürnberg für Kunstfreunde als Reiseziel interessanter - und das auch noch lange nach der Schließung der Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum.“ Das gestiegene Interesse an Dürer macht Schauerte auch bereits an dem Besucher-Andrang im Dürer-Haus fest. „Die hauseigenen Führungen sind stark nachgefragt.“ Nürnberg, so ist Coulin überzeugt, werde da im Wettstreit mit vergleichbaren deutschen Kulturstädten wie Stuttgart, Leipzig und Dresden punkten.