Durch die Röhre an die Adria
Am Mittwoch vor 50 Jahren wurde der St. Bernhard-Tunnel eröffnet. Bei vielen Älteren weckt der Bau Erinnerungen an den ersten Italienurlaub.
Martingny. Er ist nicht der längste und schon gar nicht der billigste Straßentunnel der Alpen. Dafür aber bietet er eine der schnellsten, bequemsten — und schönsten — Möglichkeiten, mit dem Auto von einer Seite des Gebirges auf die andere zu gelangen. So manchem gilt auch der Name als echten Vorteil: Dass der Große St. Bernhard-Tunnel wie der Schutzheilige der Bergsteiger und Alpenbewohner heißt, könnte auf Fahrzeuginsassen mit Röhrenphobie beruhigend wirken. Vor 50 Jahren wurde der Autotunnel zwischen dem Schweizer Kanton Wallis und dem italienischen Aosta in Betrieb genommen - mit knapp 5800 Metern damals noch als längster der Welt.
Mehr als 25 Millionen Mal haben Fahrzeuge den „Traforo de Gran San Bernardo“, wie er auf italienischer Seite genannt wird, seit dem denkwürdigen 19. März 1964 durchquert. Es war die erste transalpine Verkehrsachse dieser Art. Bereits 1930 hatte es die Idee gegeben, eine ganzjährig befahrbare, vom Klima weitgehend unabhängige Straße durch den Alpenwall zu bauen. 1958 unterzeichneten Italien und die Schweiz ein entsprechendes Abkommen.
Für Millionen Autotouristen, unter ihnen unzählige Deutsche gehört die St. Bernhard-Durchfahrt auf 1,9 Kilometer über dem Meeresspiegel zu den unvergesslichen Urlaubserlebnissen. Allerdings kaum weil es plötzlich dunkel und recht eng wurde. Es ist die malerische Anfahrt durch eine gigantische Berglandschaft mit pittoresken uralten Dörfern und Städtchen — egal von welcher Seite —, die in Erinnerung bleibt.
Abstecher jenseits der Autobahn sind lohnend: Die Region um den Großen St. Bernhard-Pass, der rund 600 Meter über dem Tunnel thront, gehört zu den landschaftlich reizvollsten und kulturhistorisch interessantesten Gegenden Europas. Die schönsten Aussichten bietet freilich die kurvenreiche — im Winter gesperrte — Straße über den fast 2500 Meter hohen Pass.
Vor fast 1000 Jahren gründete dort oben Bernhard von Menthon, der Erzdiakon von Aosta, ein Hospiz. Augustinermönche boten Pilgern in der Einsamkeit der Bergwelt Unterkunft und Nahrung. Mitte des 17. Jahrhunderts begannen sie, Hunde zu halten, die sie von Hirten aus der Region bekamen.
Groß, kräftig und gutmütig sollten sie sein, um auch als Rettungshund bei Lawinen eingesetzt werden zu können. Natürlich bekam die Rasse den Namen Bernhardiner. Ihr berühmtester Vertreter war Barry. Mit einem Schnapsfässchen um den Hals soll er 40 Menschen vor dem Tod in Schnee und Eis bewahrt haben. Zu Ehren Barrys, der vor 200 Jahren starb, wird im Sommer im Naturhistorischen Museum von Bern eine Dauerausstellung eröffnet.