Düsseldorf Educon-Prozess: Kinder gequält - Erzieherin muss in Haft

Autistische Kinder mussten jahrelang ein Martyrium erleiden. Richterin sprach sogar von Sadismus.

Foto: dpa/ David Young

Düsseldorf. Für viele Eltern von autistischen Kindern waren die Educon-Wohngruppen der Düsseldorfer Graf-Recke-Stiftung die letzte Hoffnung. „Räuberhöhle“ und „Lernfenster“ nannten sich die beiden Einrichtungen. Doch was angeblich eine innovative Therapie sein sollte, wurde für die neun bis fünfzehn Jahre alten Jungen und Mädchen zu einem Martyrium.

Wegen gefährlicher Körperverletzung und der Misshandlung von Schutzbefohlenen verurteilte das Düsseldorfer Landgericht gestern drei ehemalige Mitarbeiter zu Haftstrafen. Die 44 Jahre alte Gruppenleiterin muss für zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Ihre Ehemann wurde zu 20 Monaten, eine weitere Mitarbeiterin 15 Monaten Haft verurteilt. Diese beiden Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt.

Die Vorsitzende Richterin Karin Michalek erklärte, den Kindern wurden erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt, sie wurden gequält. Beispielhaft nannte sie dabei zwei der vielen Videoaufzeichnungen, die vor fast zehn Jahren aufgenommen wurden. Zunächst wird einem Mädchen ein Handtuch um den Kopf gebunden, dann wurde es bis zur Erschöpfung mit kaltem Wasser übergossen. Am Ende ist die Stimme der 44-Jährigen zu hören: „Gut so und hör auf zu zittern.“ Für das Gericht der Beweis dafür, dass die Angeklagten „Spaß hatten und es genossen“, die Behinderten auf menschunwürdige Art zu traktieren.

Die gleiche Patientin wurde gefilmt, als ihr Wasser in Mund, Nase und Augengespritzt wurde. Gleichzeitig wurde dem Mädchen Zellstoff in den Mund gesteckt. Zu hören sind außerdem Beschimpfungen und Erniedrigungen. Sogar bespuckt wurde das Mädchen von der Gruppenleiterin. Karin Michalek: „Das spornte die Angeklagte offenbar an.“

Karin Michalek, Vorsitzende Richterin

Das sein keine pädagogisch angemessenen Behandlung mehr gewesen. Mit der umstrittenen Festhaltetherapie ist das nicht mehr zu vereinbaren. Es sei auch nicht richtig, dass die Therapie in enger Ansprache mit Dr. Fritz Jansen erfolgte, der die Methode entwickelte. Tatsächlich gab es nur sporadische Kontakte. Es gebe auch keinen Grund, Konzepte blind zu befolgen: „Der Zweck heiligt nicht die Mittel, Idealismus nicht den Sadismus.“

Stattdessen habe die 44-Jährige ihr Prestige in den Vordergrund gestellt und als Anführerin agiert. Darum ist sie auch die einzige, die eine Haftstrafe absitzen muss. Strafmildernd wurde berücksichtigt, dass sich das Verfahren über so lange Zeit hingezogen hat. Darum gelten für alle drei Angeklagten jeweils sechs Monate Haft als verbüßt. Die ehemalige Gruppenleiterin leidet inzwischen selbst an einer schweren depressiven Störung.