„Ein bisschen mehr“: Jack Whites nette Untertreibung

Berlin (dpa) - Der Schwerstarbeiter im Rock-Business gönnt sich nicht die geringste Pause: Jack White, treibende Kraft hinter The White Stripes, The Raconteurs und The Dead Weather, hat eine weitere Scheibe draußen.

Fast staunt man, dass erst jetzt das Solo-Debüt des Sängers, Multi-Instrumentalisten und Produzenten erscheint.

Das Mann/Frau-Duo White Stripes ist Rock-Geschichte, die beiden anderen Bands des 36-Jährigen liegen auf Eis. Sein Vinylplatten-Label Third Man Records scheint White mit der linken Hand zu leiten, seine diversen Produzentenjobs erledigt er ähnlich mühelos. Da fand sich offensichtlich noch etwas Zeit, um auch unter eigenem Namen ein Album herauszubringen: „Blunderbuss“ (XL Recordings/Beggars/Indigo) - gut 40 Minuten beste Jack-White-Kost, ein toller Querschnitt durch das vielfältige Werk eines Jahrzehnt-Talents.

„Ich habe einfach ein paar Songs geschrieben und aufgenommen“, erzählte White dem „Musikexpress“ über den Entstehungsprozess der aus 13 knackigen, luftigen Songs bestehenden Platte. „Erst später wurde mir klar, dass es vielleicht doch ein bisschen mehr ist.“

Was der Mann aus Nashville bescheiden als „ein bisschen mehr“ bezeichnet, macht in seiner dynamischen Mischung aus Hardrock, Blues, Country und Piano-Pop vor allem unheimlich Laune. Und das, obwohl White zwischendrin noch das Scheitern seiner Ehe mit Model-Singer/Songwriterin Karen Elson verarbeiten musste.

„Blunderbuss“ ist nicht mehr so sensationell wie der zerzauste Neo-Bluesrock der White Stripes auf „White Blood Cells“ (2001) oder „Elephant“ (2003), ohne den es die Charts-Erfolge der Black Keys wohl kaum gegeben hätte. Der Solo-Auftritt verströmt auch weniger Classic-Rock-Appeal als die Raconteurs-Alben mit Brendan Benson. Aber er zeugt nach den etwas ziellosen Dead-Weather-Exkursionen davon, welch brillanter Americana-Kenner Jack White längst ist.

Wie er etwa im rumpeligen „I'm Shakin'“ den großen Bo Diddley zitiert, das hat einfach Stil. Schön ruppig lässt White auch im Opener „Missing Pieces“ die E-Gitarre sägen und das Piano swingen. Überhaupt ist das hibbelige Kneipenklavier, meist gespielt von Brooke Waggoner, die eigentliche Überraschung auf „Blunderbuss“. Sehr prägnant - und am schönsten in „Hypocritical Kiss“ - unterlegt es Whites immer wieder an den jungen Robert Plant erinnernde Stimme.

In manchen Songs scheint sich der umtriebige US-Indierock-Erneuerer fast hörbar über das Spektakel zu amüsieren, das er mit seiner kleinen Truppe hier erzeugt. „Hip (Eponymous) Poor Boy“ oder „Take Me With You When You Go“ sind so quirlig-überdreht, dass man sich sofort auf die Live-Präsentation freut.

Laut Label ist eine ausgedehnte Welttournee in Planung. Jack White will dazu zwei unterschiedliche Bands mitnehmen - „eine männliche und eine weibliche. Mit beiden übe ich 40 oder 50 Stücke ein und entscheide mich erst am Tag des jeweiligen Konzerts, welche von beiden zum Einsatz kommt.“ Das kann ein Spaß werden!