Ein Märchen über Schimpansen

Der neue Film dramatisiert und verklärt die wahre Geschichte einer Affenbaby-Adoption.

Berlin. Wenn am Donnerstag der Disney-Naturfilm „Schimpansen“ in die deutschen Kinos kommt, wird das Publikum wahrscheinlich reagieren wie zuvor schon in den USA: Was für niedliche Tiere! Und auch noch alle echt. In Deutschland aber ist kurz vor dem Filmstart eine Debatte über den Wahrheitsgehalt des Films entbrannt. Er erzählt die Geschichte des verwaisten Affenbabys „Oskar“. Beim Streit rivalisierender Schimpansengruppen stirbt seine Mutter und es wird von einem Männchen adoptiert.

Das Filmlabel Disneynature vermarktet den Film als wahre Geschichte, von der Natur geschrieben. Dagegen regt sich Widerstand. Die Geschichte sei konstruiert und könne so gar nicht stattgefunden haben, heißt es.

Der britische Tierfilmer Alastair Fothergill hält die ganze Diskussion für ein Problem der Auslegung des Wortes „wahr“. „Uns war wichtig, dass der Film wissenschaftlich korrekt ist“, sagte er. „Aber um die ganze Geschichte zu erzählen, mussten wir Szenen kombinieren.“ Das Team habe zwar 700 Tage im Dschungel der Elfenbeinküste gedreht — aber die Kinogeschichte erzähle einen Zeitraum von vier Jahren.

„Wir haben in einem gewissen Ausmaß konstruiert, aber es ist kein Fake“, betont Fothergill. „Das ist ja alles im Urwald so passiert.“ Nur eben nicht chronologisch — und auch nicht am selben Ort, wie der Film suggeriert. Geplant gewesen sei keine Dokumentation wie fürs Fernsehen. „Kinobesucher wollen eine starke Geschichte. Darum ist es ein Spielfilm. Aber mit einem wahren Hintergrund.“

Der renommierte Primatenforscher Christophe Boesch vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie hat das Filmteam wissenschaftlich beraten. Seit mehr als 20 Jahren forscht er im Dschungel und hat Studien über das Verhalten der Schimpansen veröffentlicht.

Nun wirkt Boesch überrumpelt von der Medienschelte. Es sei im Rückblick ein Nachteil gewesen, mit Disney zu arbeiten. „Da gibt es Regeln. Sie machen Filme auf ihre eigene Art.“ Die Geschichte aber basiere, auch wenn sie konstruiert sei, auf „wahrem Schimpansen-Verhalten“.

Dem „Spiegel“ sagte er, das Schimpansenkind sei sieben Monate nach der Adoption gestorben. Der kleine Schimpansenheld habe mehrere Darsteller. Auch seine Mutter sei nicht nach einer Auseinandersetzung rivalisierender Schimpansengruppen, die sich in Wirklichkeit gar nicht begegnen können, gestorben, sondern an Milzbrand.

Wahr ist an dem Film, dass das Team durch Zufall eine Form von Schimpansen-Adoption vor die Linse bekam, die ausgesprochen selten ist — ein wahrer Glücksfall.