„Ein Stück von mir“ - Tugces Familie spricht über den Schmerz

Berlin (dpa). Der Bruder der getöteten Studentin Tugce hat sich nach dem Abschied von seiner Schwester erstmals öffentlich zu Wort gemeldet. „Das ist ein Stück von mir, das mir einfach weggenommen wurde“, sagte der 25-jährige Dogus Albayrak in einem Interview des Fernsehmagazins „Stern TV“, das bei RTL ausgestrahlt wurde.

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Seine Schwester sei lebensfroh, mutig und entschlossen gewesen, erklärte er.

„Tugces positive Energie wird nicht in Vergessenheit geraten, das wird immer bleiben.“ Die junge Frau war Mitte November nach der Prügelattacke eines 18-Jährigen vor einem Schnellrestaurant in Offenbach ins Koma gefallen, aus dem sie nicht mehr erwachte. Zuvor soll sie in dem Lokal zwei belästigten Mädchen geholfen haben.

Ihr Bruder bedankte sich zugleich für die große Anteilnahme. „Das hat uns sehr viel Kraft gegeben.“ Vor allem durch die Mahnwache an Tugces Todestag - der auch ihr 23. Geburtstag war - sei der Familie der Abschied leichter gefallen. „Es war wichtig, dass wir ihren Geburtstag noch gefeiert haben und dass die Mahnwache stattgefunden hat“, sagte Albayrak.

In einer vorgelesenen Botschaft sprachen die Eltern Tugces von einem nicht beschreibbaren Schmerz, das eigene Kind zu beerdigen. „Gerade in jenen schweren Stunden waren es die vielen Menschen auf der Straße und anderswo, die uns Kraft gegeben haben“, heißt es in der Botschaft weiter. „Dieses Mitfühlen und die Anerkennung ihres Mutes und ihrer Zivilcourage haben sie ein Stückchen unsterblich gemacht, sie mit uns weiter leben lassen, in den Gedanken der Menschen.“

Vor allem in sozialen Netzwerken wird der 18-Jährige seit der Tat als Totschläger vorverurteilt, die Hasstiraden gegen den Offenbacher fallen zum Teil drastisch aus. Experten wie der Gießener Kriminologe Arthur Kreuzer warnen aber vor Vorverurteilungen ebenso wie vor einer Auszeichnung Tugces, bis der Fall von Polizei und Justiz abgeschlossen ist. Noch seien zu viele Fragen ungeklärt, sagte Kreuzer dem Hessischen Rundfunk. Tugce werde angesichts der Fülle an offenen Fragen zu früh zur Heldin stilisiert. „Symbolfigur - da wäre ich erst mal vorsichtig“, sagte Kreuzer.

Auch der Wiesbadener Kriminalpsychologe Rudolf Egg empfiehlt: „Man muss generell aufpassen, dass man sich nicht eine Meinung bildet, bevor alles aufgeklärt wird.“ Bislang sei auch im Fall Tugce die Vorgeschichte nicht bekannt.

Egg zeigte sich aber überzeugt, dass sich das Gericht bei einem Prozess nicht von der öffentlichen Anteilnahme und den Vorwürfen beeinflussen lassen würde. Allerdings warnte er auch, ein Urteil gegen den Täter könne wegen seines jugendlichen Alters und vieler offener Fragen deutlich geringer ausfallen, als dies in der Gesellschaft erwartet werde.

In Erinnerung an die Studentin wollen Offenbacher Kommunalpolitiker eine Brücke nach Tugce benennen. Nach einem entsprechenden Vorschlag der CDU sollte die Stadtverordnetenversammlung vielleicht sogar noch am Donnerstag darüber beraten.