Einstige Schwarzmarktwährung - 75 Jahre Nylonstrümpfe

New York (dpa) - Eigentlich war das Zeug für Zahnbürsten gedacht. Doch die Erfinder fanden bald eine bessere Verwendung und statt für saubere Zähne sorgte das neue Material für schöne Beine: Vor 75 Jahren kamen die ersten Nylonstrümpfe auf den Markt.

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Die hauchdünnen Fasern sorgten für eine gesellschaftliche Revolution, waren in Deutschland mal so etwas wie eine Währung und gehören für manche Frauen - aber auch Männer - zu den wichtigsten Kleidungsstücken überhaupt.

Vorgestellt hatte die Chemiefirma DuPont ihre Erfindung schon zwei Jahre zuvor. New York, Weltausstellung - das klingt doch nach Innovation und Chic. Wilmington, Delaware, klingt schon etwas weniger glamourös, doch hier wurden die dünnen Strümpfe hergestellt und am 15. Mai 1940 zum ersten Mal verkauft. Laut DuPont wurden sie nur an Frauen aus der Stadt vergeben, die das beweisen mussten.

„Das hielt Frauen aus dem ganzen Land nicht davon ab, sich ein paar Tage in der Stadt einzumieten, in der Hoffnung auf eine lokale Adresse und damit Strümpfe“, heißt es stolz in der Firmenchronik. Für den Tag, an dem innerhalb von Stunden Millionen Strümpfe verkauft wurden, hat DuPont sogar einen Namen geprägt: N-Day.

Und das alles für ein paar Strumpfhosen? Jahrhundertelang hatte man Strümpfe aus Wolle oder Baumwolle getragen. Das war schön warm - chic oder gar sexy ist etwas Anderes. In den wilden 20ern zeigt Frau zwar Bein, aber die Strümpfe mussten schon aus japanischer Seide sein und gingen schnell kaputt. Wer konnte das bezahlen?

Also tüftelte ein Team um den Chemiker Wallace Carothers und erfand schließlich die erste echte Kunstfaser der Welt. Angeblich soll er dabei „Jetzt verlierst Du, altes Nippon“ gerufen haben und aus den englischen Anfangsbuchstaben wurde das Wort Nylon. Aber das ist wohl nur eine Legende, tatsächlich erfand DuPont einfach ein Kunstwort.

Die neuen Strümpfe waren nicht nur viel billiger als Seide, sie waren auch robuster und noch dünner. Aber kaum auf dem Markt, wollten nicht nur alle Frauen, sondern auch ganz viele Männer Nylon. Die machten allerdings Fallschirme daraus, weil Amerika in den Zweiten Weltkrieg eingetreten war. Als der gewonnen war und DuPont wieder Strümpfe verkaufte, prügelten sich Frauen in den ganzen USA darum. Allein in Pittsburgh waren 40 000 Frauen an den „Nylon Riots“ beteiligt.

In Deutschland lief alles viel stiller, viel heimlicher ab. Schwarzmarkt. Für eine Strumpfhose konnte ein Soldat im besiegten Deutschland alles haben. Wirklich alles. „Nylons“ wurden eine Zweitwährung auf dem Schwarzmarkt. Wer es sich, wie die meisten, nicht leisten konnte, hatte eine Notlösung: Die Strumpfhose aus der Flasche! Eine Flüssigkeit färbte das Bein beige, mit dem Schminkstift wurde hinten die Naht aufgemalt. Bodypainting aus Not.

Die Naht hinten ist längst verschwunden und heute sind Strumpfhosen ein Wegwerfartikel. Viele Frauen in Italien würden nie ohne aus dem Haus gehen, deutsche Frauen machen es von der Kleiderwahl abhängig und japanische Frauen setzen Laufmaschen zuweilen bewusst zur Verführung ein. Und selbst die Feministin Simone de Beauvoir stöhnte, „dass die dünnsten Strümpfe leider die elegantesten sind“.

Männer können nicht mitreden, nicht einmal wenn es um „Denier“ geht. Das gibt an, wie viel Gramm ein neun Kilometer langer Faden wiegt. Ist die den-Zahl hoch (40), ist der Strumpf blickdicht und warm; ist sie niedrig (10), ist er vielleicht sexy, aber dafür empfindlich.

So ganz sind die Männer allerdings doch nicht raus. Denn vor ein paar Jahren wurde die sogenannte Mantyhose vorgestellt, Nylonstrumpfhosen für Männer. Von Tausenden begeisterten Frauen wurde nichts berichtet.