Elektronische Fußfessel: Wohnung wird zum Gefängnis

In Baden-Württemberg soll ein kleiner Sender die Zellentür ersetzen. Das NRW-Justizministerium ist skeptisch.

Düsseldorf/Stuttgart. Mittlerweile sitzt er in Untersuchungshaft. Doch eine zeitlang durfte der mutmaßliche Milliardenbetrüger Bernard Madoff die Ermittlungen der US-Staatsanwälte in seinem New Yorker Luxusappartement abwarten. Überwacht durch eine elektronische Fußfessel.

Was in den USA als Zwei-Klassen-Justiz kritisiert wurde, soll Mitte des Jahres in Baden-Württemberg eingeführt werden. Freilich für viel kleinere Fische als Madoff: Kann ein zu einer Geldstrafe Verurteilter diese nicht bezahlen und müsste er deshalb eine Ersatz-Freiheitsstrafe antreten, soll ihm dieser Gang ins Gefängnis erspart werden. Er darf in den eigenen vier Wänden bleiben, eine elektronische Fußfessel soll ihn aber in seiner Bewegungsfreiheit einschränken.

Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) argumentiert: "Damit können wir Menschen vor dem Gefängnis bewahren, die dort eigentlich nichts verloren haben." Wer nur zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei und diese nicht bezahlen könne, dem drohe bei einer Haft der Verlust der Arbeitsstelle oder der Wohnung. Das führe "in einen Teufelskreis, aus dem nur schwer wieder hinauszufinden ist".

An den Kosten müssen sich Betroffene mit 20 Euro pro Tag beteiligen. Bei einem landesweiten und dauerhaften Ausbau der elektronischen Aufsicht erwartet Minister Goll Einsparungen im Strafvollzug.

Noch in einem anderen Fall als dem der Ersatz-Freiheitsstrafe soll die Fußfessel zum Tragen kommen: Für Häftlinge, die kurz vor ihrer Haftentlassung stehen und die Schritt für Schritt wieder an ihre bevorstehende Freiheit gewöhnt werden sollen.

In Hessen gibt es in anders gelagerten Fällen bereits seit dem Jahr 2000 die elektronische Fußfessel: Als Auflage bei Strafaussetzungen zur Bewährung. Auch in einigen Fällen, in denen sonst Untersuchungshaft angeordnet würde, kommt die Fußfessel zur Anwendung. Das kostet pro Person und Tag 59,25 Euro - gegenüber 85,15 Euro, mit denen ein Hafttag zu Buche schlägt.

Wäre das Modell nicht auch etwas für Nordrhein-Westfalen? Schließlich ist auch in unserem Bundesland der geschlossene Vollzug mit rund 103 Prozent ausgelastet. Erst kürzlich wurde das Land in zwei Urteilen zu Schadensersatz wegen menschenunwürdiger Unterbringung verurteilt: In einem Fall waren vier Gefangene auf 18 Quadratmetern untergebracht; im anderen teilten sich zwei Häftlinge eine 7,6 Quadratmeter kleine Zelle.

Zur Überbelegung tragen auch die Fälle bei, in denen Verurteilte ihre Geldstrafe nicht bezahlen konnten. So wurden im Jahr 2007 insgesamt 55 600 Personen zu einer solchen Ersatz-Freiheitsstrafe verurteilt.

Dennoch ist man in Düsseldorf skeptisch, auf diese Weise Haftplätze einsparen zu können. Ministeriumssprecherin Andrea Bögge verweist darauf, dass der elektronisch überwachte Hausarrest allenfalls bei einem Täterkreis sinnvoll sei, den man als weitgehend sozial integriert bezeichnen kann: Fester Wohnsitz, Arbeitsplatz und Telefonanschluss seien die Voraussetzungen, um die notwendige Überwachung technisch und praktisch überhaupt sicherstellen zu können. Bögge: "An diesen Voraussetzungen fehlt es bei den ,Ersatzfreiheitsstraflern’ aber oftmals."

NRW setzt vielmehr auf das Projekt "Schwitzen statt Sitzen": Wer eine Geldstrafe nicht bezahlen kann, muss diese durch gemeinnützige Arbeit begleichen.

Im Jahr 2007 konnte man nach Zahlen des NRW-Justizministeriums bei mehr als 7000 Verurteilten auf diese Weise eine ErsatzFreiheitssrafe ganz oder teilweise abwenden. Dadurch wurden laut Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) gut 207 000 Hafttage vermieden.

Baden-Württemberg verfolgt auch das Schwitzen-statt-Sitzen-Projekt, doch dem Stuttgarter Justizminister Goll genügt das nicht. Es gebe nun mal auch Straffällige, die einfach nicht in der Lage seien zu arbeiten: "Auch ihnen können und wollen wir über den elektronischen Hausarrest das Gefängnis ersparen."