NRW Eltern als Schulschwänzer vor Ferienbeginn

Die Zahl der Schüler, die schon vor den an diesem Wochenende beginnenden Sommerferien fehlen, steigt in NRW. Ein Kavaliersdelikt ist das nicht — und es kostet bis zu 1000 Euro.

Auf die Plätze, fertig, los: Die Schüler können die Ferien kaum erwarten. Vielen Eltern geht es offenbar ganz ähnlich.

Foto: dpa

Düsseldorf. Man kennt das ja: Der Urlaub soll gebucht werden, der Blick geht freudvoll auf den Jahreskalender, die Sommerferien der schulpflichtigen Kinder werden analysiert. Und wenn dann alles nicht so recht zusammenpasst — eben das gerade entdeckte günstige Angebot und die letzten Tage, die die Kleinen noch in der Lehranstalt verbringen müssen — dann ist es mit der Moral nicht mehr so weit her:

Immer mehr Eltern in Nordrhein-Westfalen nehmen ihre Kinder früher aus dem Schulbetrieb, als sie das dürften. Die Sommerferien reichen vom 11. Juli bis zum 23. August. Wessen Kinder vorher abwesend sind oder später zurückkommen in die Schule, der sollte sich eine gute Begründung überlegen. Denn die Behörden werden immer aufmerksamer, wenn es um solche vermeintlichen Kavaliersdelikte geht. In Deutschland herrscht Schulpflicht. Und die reicht vom ersten bis zum letzten Schultag.

Die Auswertungen der Bezirksregierung Düsseldorf über die weiterführenden Schulen sind alarmierend: Die Zahl der vom Schulamt eingeleiteten Verfahren, die im Zusammenhang mit den Schulferien eingeleitet wurden, steigt seit 2011 kontinuierlich: 194 Fälle waren es noch 2011 (Gesamtzahl der Schulbehörde-Verfahren 1091), 2015 sind es schon 284 (1430). Das mag bei einer Gesamtzahl von rund 472000 Schülern an weiterführenden Schulen nicht viel erscheinen. Aufgenommen sind hier aber nur die behördlich verfolgten Fälle. Die Dunkelziffer derer, die das Kind vom Arzt mutwillig krank schreiben lassen oder andere Ausflüchte herbeizaubern, ist weitaus größer. Und immer ist es nicht legal.

„Auch gefühlt wird das immer mehr“, sagt Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbandes in Nordrhein- Westfalen. „Pädagogisch ist das nicht zu verantworten.“ Die Eltern gäben das Signal an die Kinder, in den letzten Tagen vor den Ferien geschehe in der Schule nichts mehr von Wert. „Das ist das falsche Vorbild der Eltern für die Kinder“, ereifert sich Silbernagel.

Dass man beim Familienurlaub mit zwei, drei Tagen Versatz schon locker dreistellige Beträge einsparen kann, mag auf den ersten Blick verlockend klingen. Aber: Einen Rechtsanspruch auf Unterrichtsbefreiung gibt es eben nicht. Und wer ohne guten Grund erwischt wird, riskiert auch in Nordrhein-Westfalen eine Geldstrafe für eine „Ordnungswidrigkeit“: Bis maximal 1000 Euro müssen Eltern zahlen, die beim „Schwänzen“ ihrer Kinder erwischt werden — wenn denn deren Fall von der Schule an das entsprechende Schulamt weitergegeben wurde.

Es gilt: Die Schule überwacht die Schulpflicht und entscheidet über die Maßnahmen: Zu denen gehören pädagogisches Einwirken wie Ermahnungen oder Einträge ins Klassenbuch, aber auch Ordnungsmaßnahmen (Androhung Schulverweis), Zwangszuführung durch das Ordnungsamt oder die Polizei oder eben die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens, das in einem Bußgeldverfahren endet.

Dabei richtet sich die Höhe des Bußgeldes nicht nach Einkommen der Eltern oder der Ersparnis durch die Urlaubsbuchung, weil Gehalt, Vermögen oder auch die Urlaubspapiere gar nicht eingesehen werden dürfen. Vielmehr ist entscheidend, ob das Kind zum ersten Mal oder schon häufiger unerlaubt gefehlt hat. Oder ob der „Gelbe Schein“ glaubwürdig nur vergessen wurde. Oder ob man eben doch mit viel Chuzpe wortlos ferngeblieben ist. „Wir hatten auch einmal den Fall, dass ein Kind unerlaubt gefehlt hat, um in der entsprechenden Zeit einem Ehrenamt nachzugehen“, berichtet Svenja Eisenmann von der Bezirksregierung Düsseldorf. Man habe von einer Bußgeldzahlung abgesehen. „Das Kind hatte ja einen ehrenwerten Grund.“

Schon im vergangenen Jahr bemängelte der Philologenverband, die Zahl der Krankmeldungen rund um die Ferien habe sich etwa verdoppelt. Belastbare Zahlen dazu gibt es nicht, da die Krankmeldungen bei den Bezirksregierungen gar nicht erfasst werden. In der Regel werden nur dringende Gründe akzeptiert. In den letzten Jahren ist die Sensibilität für das Thema gewachsen. Viele Schulen handhaben das Thema streng, auch weil sie Nachahmungseffekte fürchten.