England: Mutter will behinderte Tochter sterilisieren lassen

Ethische Debatte: Die „Lebensqualität“ von Katie solle verbessert werden. Kräftigen Gegenwind erfährt die Mutter auch von der Wohltätigkeitsorganisation Scope, die sich für Patienten mit Kinderlähmung einsetzt.

<strong>London. Eine Mutter aus Essex hat eine ethische Debatte ausgelöst, weil sie die "Lebensqualität" ihrer schwerbehinderten Tochter Katie durch die Entfernung der Gebärmutter verbessern will. Es wäre das erste Mal, dass in Großbritannien ein solcher Eingriff ohne Zustimmung des Patienten unternommen wird. Während Ärzte die offizielle Genehmigung erwarten, laufen Behindertengruppen Sturm gegen die Pläne der Mutter Alison Thorpe. Katie war bei ihrer Geburt 38 Minuten ohne Sauerstoff - daher leidet die heute 15-Jährige an zerebraler Kinderlähmung und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Sie kann sich nicht anziehen, kann nicht alleine essen, nicht sprechen und versteht nur wenig. "Hier geht es nicht um uns", sagte die 45-Jährige, die sich rund um die Uhr um ihre Tochter kümmern muss. "Hier geht es um Katies Lebensqualität. Sie ist doppelt inkontinent, und die Menstruation wird ihre Beschwerden verschlimmern." Katie könne sich nicht einmal mitteilen, wenn sie Bauchschmerzen habe, so die Mutter. "Es war zwar eine schwere Entscheidung", kommentierte sie die Operationspläne für ihre Tochter. "Die Gebärmutterentfernung wird ihr jedoch Stimmungsschwankungen, Demütigungen und jahrelange Schmerzen ersparen. Sie würde einfach nicht verstehen, was mit ihrem Körper passiert." Behindertenvertreter kritisieren die Total-Operation der Jugendlichen vehement. "Katie hat, wie jeder andere Teenager, ein Recht darauf, in einem intakten Körper aufzuwachsen und soll die gleiche Option haben, ein Kind zu bekommen, wie jeder andere auch", so Simone Aspis vom britischen Behindertenrat.

"Katie wird nie Kinder haben können."

Kräftigen Gegenwind erfährt die Mutter auch von der Wohltätigkeitsorganisation Scope, die sich für Patienten mit Kinderlähmung einsetzt. "Es ist sicherlich schwer, ein behindertes Kind aufzuziehen", so Gary Birkenhead, "aber es gibt keinen Grund, so weit zu gehen." Katies Mutter hatte es abgelehnt, die Monatsblutungen ihrer Tochter hormonell zu unterbinden - wegen der Thrombosegefahr. Sie sagt: "Natürlich hatte ich Zweifel an meiner Entscheidung, aber die Langzeiteffekte wiegen das kurzfristige Unwohlsein nach der Operation auf." Katie, so Alison Thorpe, werde nie Kinder haben können. Und den vielen Interessengruppen, die sich auf die Seite des behinderten Mädchens stellen wollen, entgegnet sie: "Kommt mal vorbei und verbringt eine Woche mit mir. Lauft eine Weile in meinen Schuhen."

Phil Robarts, Gynäkologe der St. John’s-Klinik in Chelmsford hat Alison Thorpe Unterstützung zugesagt. Er zeigte sich optimistisch, eine legale Erlaubnis für den chirurgischen Eingriff zu bekommen. Einer Sonntagszeitung sagte er: "Ich habe einige Kollegen gefragt, um zu hören, wie sie darüber denken. Sie stimmen überein, dass es in Katies Situation nicht unvernünftig ist, über eine Gebärmutterentfernung nachzudenken."

Scope-Direktor Andy Rickell bleibt dennoch skeptisch: "Es ist schwer verständlich, wie eine solche Operation in Katies Interesse sein könnte. Ich denke, dass kein Kind so umgemodelt werden sollte, dass es in die Gesellschaft passt - stattdessen muss sich die Gesellschaft anpassen und Behinderte besser einbinden."