Erinnerung an den Tsunami in Thailand

Zehn Jahre nach dem Tsunami kehren Überlebende und Angehörige zurück nach Thailand. Eine schwierige Reise.

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Düsseldorf/Khao Lak. Die Zeit heilt alle Wunden — so heißt es. Manche Menschen, das muss man zumindest vermuten, übersieht die Zeit aber bei dieser Aufgabe. Etwa jene, die vor zehn Jahren die Weihnachtstage in Thailand verbracht und den gewaltigen Tsunami überlebt haben, der am 26. Dezember 2004 Teile Südasiens wegspülte. Viele von ihnen werden bis heute von Alpträumen, Vorwürfen und Fragen geplagt. Auch vielen Menschen, die ihre Angehörigen in den haushohen Wasserwänden verloren haben, geht es nach all der Zeit nicht besser.

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Der Bruder von Agnieszka Brauner (38) war 25, als er gemeinsam mit seiner Freundin Katja in den thailändischen Urlaubsort Khao Lak flog. Am 26. sollte es für die beiden wieder nach Hause gehen. „Adam und Katja haben so von Thailand geschwärmt“, erinnert sich Agnieszka Brauner. Gesehen hat sie die beiden nie wieder. „Am Zweiten Weihnachtstag habe ich eine SMS von einem Freund bekommen“, sagt Brauner. Ob ich von dem Beben gehört habe? Hatte sie nicht — und bis dahin keine Ahnung, was ein Tsunami ist.

In Erinnerung an den Tsunami in Thailand
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Es folgten Tage des Wartens — und Wochen und Monate des Hoffens. „Wir wollten selbst nach Thailand fliegen, um nach Adam und Katja zu suchen“, erzählt Brauner. Ungezählte Anrufe und E-Mails an thailändische Behörden und das Auswärtige Amt hatten nichts gebracht. „Vor allem meine Eltern haben gehofft, dass Adam doch gefunden wird, mit Gedächtnisverlust in einem Krankenhaus oder auf einer Insel.“

Mittlerweile hat die Familie Klarheit — Adams Identität wurde per DNA-Analyse geklärt. Sein Leichnam ist in Thailand aber verschwunden — vermutlich wurde Adam unter falschem Namen beerdigt. „Dennoch sind wir froh, Gewissheit zu haben.“ Heute erinnert eine kleine Tafel am Grab der Großmutter an Agnieszkas Bruder Adam.

Ungewissheit war und ist für viele Vermissende das größte Problem — das weiß Christiane Scholl vom Deutschen Roten Kreuz, das 2005 gemeinsam mit der Notfallseelsorge im Rheinland das Projekt „Hoffen bis zuletzt“ gegründet hat. Es war zunächst für ein Jahr angelegt und half Überlebenden und Angehörigen bei der Organisation von Treffen und leistete psychosoziale Unterstützung.

Kurz vor Weihnachten geht es für Scholl und Uwe Rieske, den Leiter der Notfallseelsorge, nach Khao Lak, um am zehnten Jahrestag für die Deutschen da zu sein, die in Thailand an einer Gedenkveranstaltung teilnehmen.

Mit dabei ist Ben Atréu Flegel, heute 25, der den Tsunami schwer verletzt überlebt, aber seine Großeltern verloren hat. Der angehende Autor sagt, er habe seinen „Frieden mit dem Tsunami“ gemacht — schon als er einen Tag vor Silvester allein in Düsseldorf gelandet sei. Seine Familie habe aber einen Abschied von den Großeltern gebraucht. Ihre Asche wurde in Deutschland beigesetzt.

Seine „Gegenwärtigkeit“, also das schlichte Funktionieren, als ihm in Khao Lak das Wasser buchstäblich bis zum Hals stand, habe ihn vor zehn Jahren gerettet, sagt Flegel. Bei der Gedenkfeier in Khao Lak will er eine Rede halten. „Die stärkende Kraft des Erinnerns“, heißt sein Vortrag. Vielleicht, weil die Zeit doch nicht alles heilt.