Erkelenz: Mordopfer soll Bandido gewesen sein

Nachbarn wunderten sich über die Rocker-Freunde von Augenarzt Udo S. (51).

Erkelenz. Die zwei Gesichter eines Mordopfers: Der unauffällige, zurückgezogen lebende, aber immer hilfsbereite Nachbar, der seinen Eltern liebevoll zur Seite stand - und der Motorradfan und Waffenliebhaber mit Kontakten zur Rocker-Gang "Bandidos".

Wirklich "gekannt" hat Udo S. (51) kaum jemand in der kleinen Straße hinter einem Erkelenzer Industriegebiet, in der der Augenarzt seit etlichen Jahren lebte.

Ein Doppelhaus mit vier Parteien war das Zuhause von S., der am Samstag von Spaziergängern tot auf einem Feld bei Immerath gefunden worden war. 16 Schüsse - so heißt es inzwischen aus Ermittlerkreisen - töteten den Arzt. Bei der Waffe könnte es sich möglicherweise um eine Maschinenpistole gehandelt haben, weil den Mann so viele Kugeln trafen. Eine heiße Spur vom Täter haben die Ermittler noch nicht.

Pakete habe S. so gut wie nie bekommen, erzählt der Post-Fahrer, der in Erkelenz seit 26 Jahren seine Runden dreht. "Wenn, dann war er nicht da und bekam eine Benachrichtigungskarte." Die meisten Nachbarn zucken mit den Schultern - unauffällig und zurückgezogen sei die richtige Bezeichnung für den Mann. Allerdings sei er überaus hilfsbereit gewesen, beschreibt ihn eine Nachbarin.

"Wenn eines der Kinder fiel und sich die Knie aufschlug, hat er es getröstet und verbunden." Auch um die Augenprobleme ihrer Tochter habe er sich rührend und außerhalb der Dienstzeiten gekümmert. Am Abend habe man ihn oft im ersten Stock an seinem Schlagzeug sitzen sehen.

Als man vor gut drei Jahren versuchte, im Haus einer alleinerziehenden Nachbarin einzubrechen, habe er ihr "zu meiner Beruhigung" sofort eine Schreckschusspistole überlassen, "und seine Telefonnummer, ich solle nicht zögern, auch spät abends noch anzurufen".

Aber dann war da noch der Mann, der ein bisschen sonderbar war. Der mit einer Simpsons-Figur oder -Maske auf dem Beifahrersitz herumfuhr und der Freunde hatte, die den Nachbarn Angst einjagten: "Das waren Motorradrocker." Der Arzt selber allerdings trug keine "Bandido"-Kutte.

S. war am Wochenende mit einem Freund und früheren Kollegen aus Cuxhaven verabredet. Als der wegen des Wetters absagen wollte, sagte ihm S., dass er auch nicht gekonnt hätte, er habe etwas vor. Wusste er da schon von einem Treffen - vielleicht mit seinem Mörder? Die Nachbarn wundern sich auch, dass sein Auto, mit dem er Freitagabend zurückkam, noch immer da steht: "Wer hat ihn denn dann nach Immerath gefahren?"

Die Ermittler prüfen derzeit einen Zusamenhang zum „Rocker-Krieg“ zwischen Bandidos und Hells Angels. Oberstaatsanwalt Peter Aldenhoff hatte zuvor Medienberichten widersprochen, wonach der 51-Jährige Mitglied der Bandidos gewesen sei.

Allerdings sei der Augenarzt Anhänger eines örtlichen Motorradclubs gewesen, sagte die ermittelnde Staatsanwältin Carola Guddat am Mittwoch. Sie korrigierte damit ihre früheren Angaben, wonach der Arzt Mitglied des Clubs gewesen sei.

Bislang sei ein Bezug zum Rocker-Krieg "reine Spekulation", sagte
Aldenhoff. Das gesamte Umfeld des Arztes werde derzeit eingehend
"abgeklopft". So werde auch geprüft, ob der örtliche Motorradclub
Verbindungen zu den Bandidos hat.