Erste Hilfe nach Missbrauch
Kommt der Täter aus dem näheren Umfeld, ist die Polizei für das Opfer nicht immer die erste Adresse. Doch es gibt Beistand von anderer Seite.
Düsseldorf. Eine Frau ist sexuell missbraucht worden. Der Täter kommt aus ihrer Familie oder dem Bekanntenkreis. Sie braucht jetzt dringend Hilfe. Geht sie aber direkt zur Polizei, so ihre Bedenken, läuft die Ermittlungsmaschinerie an.
Polizei und Justiz müssen schließlich etwas unternehmen, um den Täter dingfest zu machen. Was aber, wenn die Frau sich noch gar nicht im Klaren ist, ob sie ihn wirklich anzeigen will?
Wenn sie sich aber offenhalten möchte, dies später zu tun? Wartet sie ab — vielleicht mehrere Tage — kann die Beweislage später unter Umständen sehr problematisch sein.
Für eben diese Situation bieten Rechtsmedizinische Institute mancher Unikliniken Hilfe. Jüngst ging die Uniklinik Köln mit einem solchen Projekt in die Öffentlichkeit. Opfer können Beweise aufnehmen, Spuren sichern lassen, um dieses Material später gegebenenfalls in einem Prozess verwenden zu können.
Ein ähnliches Angebot gibt es auch in Düsseldorf: „UKD-Medizinische Hilfe für Gewaltopfer“ heißt es und wurde schon 2007 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die UKD steht dabei für „Unterstützung, Kompetenz, Diskretion“.
„Gerade das Wort ,Diskretion’ hat für viele in solchen Fällen eine besondere Bedeutung“, sagt Privatdozentin Dr. Hildegard Graß, Fachärztin für Rechtsmedizin an der Uniklinik Düsseldorf. „Gewaltopfer, die zu uns kommen, können sich auf unsere ärztliche Schweigepflicht verlassen.“
Die Rechtsmediziner dokumentieren die Verletzungen, machen Fotos, sichern Spuren. Und lagern das so Gesammelte gemäß der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen zehn Jahre, sodass der oder die Betroffene gegebenenfalls für Beweiszwecke darauf zurückgreifen kann.
Das muss nicht immer nur ein Strafverfahren sein. Graß: „Auch wenn es um das Sorgerecht für ein gemeinsames Kind geht, kann das spätere Zurückgreifen auf gesicherte Beweise zum Beispiel von häuslicher Gewalt wichtig werden.“
Wer möchte, könne auch ganz anonym bleiben, betont Graß. Und die gesicherten Beweise auch gern unter einem Pseudonym hinterlegen lassen. „Niemand muss Bedenken haben, dass wir von uns aus Anzeige erstatten“, versichert Graß.
Wenden sich Kinder an die Rechtsmediziner, ist es freilich eine Abwägungsfrage. Graß: „Dabei kann schnelles Handeln gefragt sein, zum Beispiel, wenn der Täter ein Elternteil oder Verwandter ist.“
Graß ist froh, dass die Uniklinik bei diesem wichtigen Angebot Mitstreiter hat und jedenfalls einen Teil der Kosten erstattet bekommt. „Wir haben eine Vereinbarung mit dem Kriminalpräventiven Rat von Düsseldorf, wonach wir pro Fall eine Aufwandsentschädigung bekommen.
Die Rechtsmediziner beraten die Menschen, die sich ihnen anvertraut haben, auch darüber, wo sie weitergehende Hilfe bekommen — etwa bei der Frauenberatungsstelle. Insgesamt melden sich im Schnitt bis zu 200 Betroffene pro Jahr (Tendenz steigend) bei dem Projekt UKD. Darunter nicht nur Frauen oder Jugendliche, sondern durchaus auch mal Männer, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind.