Mutmaßlicher Entführer schweigt - Sprengstoff gefunden
Hamburg (dpa) - Wenige Tage nach der Entführung einer jungen Frau in Hamburg schweigt der mutmaßliche Täter in den Vernehmungen. Die Ermittler rätseln über seine Pläne. Der Mann hatte in seiner Wohnung offenbar alles für eine längere Gefangenschaft vorbereitet.
Die Fenster waren mit Stacheldraht abgesichert, es gab eine schalldichte Telefonzelle und größere Lebensmittelvorräte in der Wohnung. Er hatte sich mit Handschellen, einer Pistole und einer Handgranate ausgerüstet. Unterdessen sorgte am Montag der Fund von Sprengstoff im Keller des Mannes in einem Mehrfamilienhaus für Aufregung. Seine Nachbarn mussten mehrfach ihre Wohnungen verlassen.
Zunächst entdeckte die Polizei am Mittag eine Tüte mit einem selbstgemischten hochexplosiven Pulver. Das Wohnhaus des Mannes und ein Nachbarhaus wurden geräumt. Im Laufe des Nachmittags stießen die Beamten auf mehrere Dutzend Feuerlöscher, einige davon mit Anhaftungen des Sprengstoffes. „Wir haben an sechs bis acht im Keller des Beschuldigten sichergestellten Feuerlöschern Anhaftungen eines selbstgemischten Sprengstoffes gefunden und müssen nun prüfen, ob das Pulver auch in den Feuerlöschern steckt“, sagte Polizeisprecher Mirko Streiber.
Das Gebiet wurde weiträumig abgesperrt. Rund 130 Menschen aus neun Wohnblöcken mussten für Stunden ihre Wohnungen verlassen. Die möglicherweise hoch explosiven Feuerlöscher wurden mit Spezialfahrzeugen einzeln abtransportiert. Spezialisten sollten sie untersuchen und möglicherweise sprengen. Ob die Feuerlöscher tatsächlich Sprengstoff enthalten, wird sich nach Angaben der Polizei erst in den kommenden Tagen herausstellen.
Der 30 Jahre alte Mann war festgenommen worden, nachdem er am Freitag eine ihm bekannte 26-jährige Frau in seine Gewalt gebracht hatte. Er hatte die vier Jahre jüngere Frau mit Handschellen gefesselt und mit einer Waffe in seine Wohnung im Hochparterre eines Mehrfamilienhauses in Hamburg-Barmbek gezwungen. Dort hielt er die in Tel Aviv geborene Frau für rund zwei Stunden gefangen. Opfer und Täter hatten sich im Mai über einen gemeinsamen Bekannten kennengelernt und seitdem unregelmäßig Kontakt gehabt. Eine engere Beziehung zwischen Täter und Opfer habe es „definitiv“ nicht gegeben, betonte Streiber.
Die Frau konnte sich schließlich in einem unbeobachteten Moment mit einem Sprung aus dem Fenster durch den Stacheldraht retten. Der Täter folgte ihr, doch das Opfer konnte entkommen. Nachbarn alarmierten die Polizei, die den Mann schließlich festnahm. Gegen ihn erging Haftbefehl wegen versuchter Geiselnahme.
Die Ermittlungen der Polizei dauern noch an. „Wir prüfen jetzt, ob der Mann auch für andere Straftaten in Frage kommt oder möglicherweise Vorbereitungen dafür getroffen hat“, sagte Streiber. Der 30-jährige Deutsche ist bei der Polizei kein Unbekannter. „Er ist wegen unterschiedlicher Delikte bekannt“, sagte der Polizeisprecher. Dazu gehörten Körperverletzung, Betrug und Stalking.