Erste Opfer von Todesflug AF 447 geborgen
Paris (dpa) - Knapp zwei Jahre nach dem Absturz einer Air-France-Maschine in den Atlantik haben Experten die ersten Leichenteile vom Meeresboden geborgen. Die noch auf einem Sitz festgeschnallte Leiche wurde am Donnerstagmorgen aus 3900 Metern Tiefe an die Wasseroberfläche geholt.
Die Leichenteile sollen nun mit den bereits vor einigen Tagen entdeckten Flugschreibern der Unglücksmaschine nach Frankreich gebracht werden. Dort wollen Experten prüfen, ob mit Hilfe von DNA-Proben noch eine Identifizierung möglich ist. Bei der noch immer völlig rätselhaften Flugzeugkatastrophe am 1. Juni 2009 waren 228 Menschen ums Lebens gekommen, darunter auch 28 Deutsche.
Die Operation rund 1100 Kilometer vor der brasilianischen Hafenstadt Recife gilt wegen des ungewissen Zustands der Leichen als äußerst heikel. „Die Bergung erfolgt unter Bedingungen, die äußerst komplex und völliges Neuland sind“, beschrieb die zuständige Behörde am Donnerstag die Tauchroboter-Aktion in der Tiefsee.
Es gebe noch immer große Unsicherheit darüber, inwieweit das weitere Bergen von Körpern technisch machbar sei. Die am Donnerstagmorgen an die Wasseroberfläche geholten Leichenteile seien in keinem guten Zustand, hieß es.
Für die deutsche Meeresbiologin und Biogeo-Chemikerin Tina Treude wäre es eine Überraschung, wenn die Leichen noch intakt sein sollten. In der Tiefsee gebe es spezialisierte Aasfresser, die Kadaver wie die von Thunfischen oder Walen innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen komplett skelettierten, kommentierte die Wissenschaftlerin nach Angaben des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften an der Universität Kiel (IFM-GEOMAR). Nach Angaben der französischen Luftfahrtermittlungsbehörde (BEA) ist zur Betreuung der Helfer ein Psychologe an Bord des Spezialschiffes „Ile de Sein“.
Direkt nach dem Absturz konnten nur 50 Opfer an der Wasseroberfläche entdeckt und identifiziert werden. Die Maschine vom Typ Airbus A330-200 war auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Paris mitten in der Nacht ins Meer gestürzt. Das Wrack von Todesflug AF 447 wurde erst vor wenigen Wochen in rund 4000 Metern Tiefe auf dem Meeresboden entdeckt, zuvor waren mehrere Suchaktionen erfolglos geblieben.
Mit der Bergung der beiden Flugdatenschreiber hatte das Expertenteam auf der „Ile de Sein“ bereits vor einigen Tagen das Hauptziel der mehr als 30 Millionen Euro teuren Suchaktion erreicht. Der Stimmenrekorder (CVR) und der Flugdatenschreiber (FDR) gelten als Schlüssel zur Aufklärung. Sicher ist bislang nur, dass die Langstreckenmaschine in eine Unwetterfront flog und dort Probleme bei der Geschwindigkeitsmessung hatte. Schlechtes Wetter und fehlende Tempodaten dürften ein Flugzeug normalerweise aber nie abstürzen lassen.
Die Gegend um das Trümmerfeld ist nach Angaben des Meeresgeologen Klas Lackschewitz eine karge und teilweise stark zerklüftete Unterwasserlandschaft. „Man kann sich das Gebiet vorstellen wie die zentralen Alpen, das heißt, es gibt hohe Gebirgszüge mit schmalen Tälern und vereinzelten Ebenen“, erklärte der Experte vom IFM-GEOMAR.
Bei den Gebirgszügen handele es sich um wenig sedimentbedeckte Felsen, während die Täler und Ebenen mit einem feinen Sand überzogen seien, in den durchaus auch Teile einsinken können. „Nach den bisher vorliegenden Informationen steckte auch der Datenflugschreiber im Sediment“, so Lackschewitz. Die Sicht sei abhängig von der Trübe des Wassers. Bei klarem Wasser könnte man mit der Kamera eines Tauchroboters etwa 20 bis 30 Meter weit sehen.