Aufnahmestopp „Es gibt hier keine Rassisten“ - Minister besucht Essener Tafel

Die Essener Tafel ist nach ihrem umstrittenen Aufnahmestopp für Ausländer am Samstag mal wieder zur Chefsache erklärt worden. NRW-Integrationsminister Stamp kam vorbei und machte sich ein eigenes Bild.

Joachim Stamp (l, FDP), Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, beantwortet in den Räumen der Essener Tafel Fragen der Journalisten. In der Debatte um einen vorübergehenden Aufnahmestopp für Ausländer an der Essener Tafel hatte Stamp am Mittwoch angekündigt, sich selbst vor Ort ein Bild machen und mit den Beteiligten reden zu wollen.

Foto: Roland Weihrauch

Essen. „Wie viele Kinder haben Sie? Fünf? Gut, dann nehmen sie sich ein Paket“, sagt ein ehrenamtlicher Helfer der Essener Tafel am Samstag zu einem ausländisch aussehenden Mann. Es geht um einen Beutel rohe Pommes, einen Tag vor Ablauf der Mindesthaltbarkeit. Der Mann und sein kleiner Sohn verstauen den Beutel in einem Einkaufstrolley, dann gehen sie. Tafel-Alltag, wäre da nicht der Besuch aus Düsseldorf: Nach der tagelangen Debatte um den vorübergehenden Aufnahmestopp der Essener Tafel für Ausländer will sich Nordrhein-Westfalens Minister für Integration, Joachim Stamp (FDP), vor Ort selbst ein Bild machen.

Trubelig geht es zu bei der Lebensmittelausgabe im Erdgeschoss eines ehemaligen Wasserturms. Die Kunden gehen an Tresen vorbei, darauf stehen etwa Kisten mit Brot, Gemüse oder eingeschweißten Endstücken von großen Salamiwürsten. Mitarbeiter geben die Waren aus. Unter den Kunden sind augenscheinlich viele Ausländer. Es müssen Bestandskunden sein, denn seit dem 10. Januar nimmt die Hilfsorganisation keine Ausländer mehr als Neukunden an. Begründet hatte die Tafel ihr viel kritisiertes Vorgehen mit einem bereits sehr hohen Anteil an Ausländern unter ihren Kunden. Gerade ältere Menschen und alleinerziehende Mütter hätten sich von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt.

Nach Gesprächen und einem Abstecher in den Ausgaberaum lobt der Minister die Arbeit der Ehrenamtlichen: „Das ist eine ganz wichtige Leistung, die man anerkennen muss. Es gibt hier keine Rassisten, sondern es gibt hier viele engagierte Mitarbeiter, die etwas für alle in der Essener Gesellschaft tun wollen.“ Seine ablehnende Position zum vorübergehenden Aufnahmestopp der Tafel für Ausländer wiederholt der Minister aber auch: Bei dem Angebot solle nicht die Herkunft, sondern die Bedürftigkeit entscheidend sein.

Eine 68-Jährige mit Rollator wartet draußen auf Einlass. Sie findet den Aufnahmestopp „in Ordnung“. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Ausländern könnte ruhig ein bisschen „ausgewogener“ sein, sagt sie. Sie selber habe aber keine Probleme mit den Migranten. Warum sie zur Tafel gehe? „Ich muss, weil ich so wenig Rente habe.“ Ihr Mann sei gestorben, seit einem halben Jahr habe sie nun einen Kundenausweis. Dass die Bundeskanzlerin sich in die Diskussion eingeschaltet habe, findet die Seniorin nicht gut. „Die soll lieber mal herkommen und mithelfen. Das wäre mal eine Maßnahme.“

Auf der anderen Seite des Wasserturms demonstrieren rund 15 Menschen friedlich gegen den Aufnahmestopp. Veranstalter ist der Essener Verein Anti-Rassismus-Telefon. „Eine rassistische Vorgehensweise“ wirft eine Sprecherin der Tafel vor und sagt schnell hinterher: „Das heißt nicht, dass die Ehrenamtler an der Tafel Rassisten sind.“ Die Stadt hätte den Beschluss verhindern müssen.

Die Stadt ist am Samstag auch selbst da. Sozialdezernent Peter Renzel verweist auf den geplanten Runden Tisch. Das Gremium soll eine Neuregelung diskutieren. Teilnehmen sollen die Tafel, die Stadt, die Wohlfahrtsverbände und Migrantenorganisationen. Wann er das erste Mal tagen wird, will Renzel nicht genau sagen. „Bald“ und „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“.

Der Vorsitzende des Tafel-Trägervereins, Jörg Sartor, betont noch einmal, dass es eine vorübergehende Maßnahme sei. „Selbstverständlich haben wir gesagt, dass wir danach andere weitergehende Lösungsvorschläge uns überlegen müssen.“ Es sei sehr hilfreich, dass der Minister und die Stadt den Verein unterstützten, „Lösungsansätze zu finden“.

So richtig konkret wird Stamp zwar nicht, zeigt aber die Richtung auf, in der sein Ministerium helfen will. Weil viele Zuwanderer glaubten, dass die Tafeln eine staatliche Einrichtung seien, habe es auch eine gewisse Anspruchshaltung gegeben. „Das ist aber nicht der Fall und deswegen müssen wir jetzt gucken, dass man hier auch ein entsprechendes Informationsdefizit aufarbeitet.“ Das Ministerium wolle daher „mitwirken“ an entsprechenden Informationsprojekten. dpa