EU-Abgeordneter Maurice Ponga: 16000 Kilometer bis ins Büro
Kosmopolit: EU-Abgeordneter Maurice Ponga pendelt zwischen der Pazifik-Insel Neukaledonien, Paris und Brüssel.
Brüssel. Für Maurice Ponga wird es höchste Zeit, sich ins Guinness Buch der Rekorde eintragen zu lassen: 16000 Kilometer muss der 63-Jährige zurücklegen, bis er auf seinem Bürostuhl Platz nehmen, seinen Computer hochfahren und sich in die Arbeit stürzen kann. Einen längeren Weg zum Job als der Mann vom anderen Ende der Welt hat in Europa keiner. Maurice Ponga kommt aus Neukaledonien, einer kleinen Insel im Pazifischen Ozean. Seit knapp einem Jahr ist er Abgeordneter im Europäischen Parlament.
Neukaledonien gehört - wie auch die Kanaren, Madeira oder die Antillen-Inseln - zu den EU-Gebieten "in äußerster Randlage". Wer da wohnt, ist EU-Bürger, im Falle Neukaledoniens mit französischem Pass. Und das ist auch der Grund, warum Ponga für die Franzosen im EU-Parlament sitzt.
Er pendelt regelmäßig zwischen Straßburg, Brüssel, Paris und Nouméa, der Hauptstadt seiner Heimat. Unter der Woche sitzt er im EU-Parlament in Brüssel und Straßburg, an den Wochenenden lebt er meist in Paris. Stressig wird es, wenn er zurück in den Wahlkreis muss. "Wenn ich am Mittwoch in Neukaledonien sein will, muss ich am Montag in Brüssel los", sagt er.
Am Anfang war es schwer. Maurice Ponga sitzt im 13.Stock seines Brüsseler Büros und erinnert sich an seine ersten Tage in der belgischen Hauptstadt: "Als ich nach Brüssel kam, dachte ich, das ist eine andere Welt. Neukaledonien ist eine kleine Insel, umgeben vom Pazifischen Ozean. Die Menschen leben dort mitten in der Natur und am Wasser." Wenn er jetzt aus seinem Fenster blickt, sieht er Mauern und Straßen, aber kein saftiges Grün, keinen tiefblauen Ozean. Vielleicht sitzt Ponga auch deswegen mit dem Rücken zum Fenster.
Mit Anfang 60 starten Menschen gewöhnlich keinen beruflichen Neuanfang, sondern freuen sich auf die Pensionierung. Ponga ist da anders. Er wagte diesen Neuanfang, kehrte seiner Heimat den Rücken, um in Europa Politik für seine Insel zu machen. "Ich bekam die Möglichkeit, für das EU-Parlament zu kandidieren und habe die Chance ergriffen." Kandidiert, gewählt: Seit elf Monaten ist er nun Fraktions-Mitglied der Europäischen Volkspartei, Arbeitsschwerpunkte sind Entwicklungs- und Regionalhilfen. Einst war er Grundschullehrer, dann Minister für Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei, später für Jugend und Sport Mitglied der Regionalregierung Neukaledoniens.
Ponga ist ethnischer Kanake, er stammt aus einem völlig anderen Kulturkreis. Er habe sich oft fremd gefühlt, erinnert sich der Parlamentarier, obwohl er schon oft in Frankreich gewesen sei. Früher ist er als Minister regelmäßig nach Paris geflogen, um an den Sitzungen der Nationalversammlung teilzunehmen. Seine Tochter lebt dort. Sie ist der Grund, warum er sein Domizil ebenfalls in der französischen Metropole aufgeschlagen hat. Seine Frau ist zuhause in Nouméa. Er ist EU-Bürger, aber fühlt er sich auch als Europäer? "Ich arbeite dran."
Wichtig ist Ponga derzeit das erste "Forum für Europas Regionen in äußerster Randlage", wo besprochen wird, wie die EU ihre territorialen Ausleger wirtschaftlich aufpäppeln will. Mehr Hilfen sind nötig, meint Ponga: "Die Probleme sind in allen französischen Übersee-Gebieten die gleichen." Die Inseln sind isoliert und schwer zu erreichen. Produkte für den Außenhandel gibt es kaum - die wirtschaftliche Abhängigkeit sei unvermeidlich.