Europaweite Umfrage: Viele sind gegen die Sommerzeit
Eine europaweite Online-Umfrage trifft auf riesiges Interesse. Sie könnte das Ende der Zeitumstellung einläuten. Denn die Regelung hat zahlreiche Gegner, ihr Nutzen ist umstritten.
Brüssel. Für immer Sommer- oder Winterzeit? Keine lästige Uhrenumstellung mehr? Die europaweite Online-Umfrage zur möglichen Abschaffung der zweimal pro Jahr vorgeschriebenen Zeitumstellung stößt nach Angaben der zuständigen EU-Kommission auf riesiges Interesse. „Wir haben bereits zur Hälfte der Laufzeit mehr als eine Million Antworten registriert“, sagte ein Kommissionssprecher der Deutschen Presse-Agentur.
In den ersten Tagen war der Ansturm auf die Umfrageseite sogar so groß, dass sie für manche Internetnutzer gar nicht mehr zu erreichen war. Allein in den ersten 72 Stunden seien mehr als 500 000 Online-Fragebögen ausgefüllt worden, sagte der Sprecher.
Bei der im Juli gestarteten und noch bis zum 16. August laufenden Umfrage können EU-Bürger angeben, ob sie künftig gerne ohne Zeitumstellung leben würden - und wenn ja, ob sie Winter- oder Sommerzeit bevorzugen. Auf Grundlage der Ergebnisse sowie anderer Studien und Meinungen will die EU-Kommission dann entscheiden, ob sie einen Vorschlag zur Abschaffung der Zeitumstellung vorlegt.
Das Europaparlament sowie einzelne Mitgliedstaaten hatten die Behörde zuvor beauftragt, die derzeitige Sommerzeitregelung zu prüfen und zu bewerten, ob sie geändert oder beibehalten werden sollte. Von den EU-Staaten spricht sich zum Beispiel Litauen für eine dauerhafte Sommerzeit aus. Die Regierung in Vilnius verabschiedete vor wenigen Wochen einen entsprechenden Beschluss, der vom Verkehrsministerium des baltischen EU-Landes ausgearbeitet wurde. „Wir wollen die Sommerzeit, weil es natürlicher ist“, sagte Minister Rokas Masiulis.
Die Bundesregierung hat sich zu dem Thema bislang noch nicht eindeutig positioniert. Klar ist allerdings, dass es auch in Deutschland zahlreiche Gegner der Zeitumstellung gibt. So sprachen sich im Frühjahr in einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK 73 Prozent der Befragten dagegen aus. Rund ein Viertel berichtete zudem, schon einmal Probleme wegen der Zeitumstellung gehabt zu haben. Etliche Menschen leiden nach dem Uhrendreh an Einschlafproblemen und Schlafstörungen. Zudem wurden Konzentrationsschwierigkeiten und Gereiztheit als Folgen angegeben.
Umstritten ist auch, ob die Zeitumstellung den Nutzen bringt, der ursprünglich erwartet wurde. So knipsen die Deutschen laut Umweltbundesamt zwar wegen der Zeitumstellung im Sommer tatsächlich abends seltener das Licht an - im Frühjahr und Herbst wird jedoch morgens mehr geheizt. Energieeinsparungen sind damit nicht unbedingt gegeben.
Genau dies war allerdings die Idee, als die Uhrenumstellung nach der Ölkrise in den 70er Jahren eingeführt wurde. In Deutschland gibt es sie in der heutigen Form seit 1980. Seit 1996 stellen die Menschen in allen EU-Ländern die Uhren einheitlich am letzten Sonntag im März eine Stunde vor - und am letzten Oktober-Sonntag wieder eine Stunde zurück. Sollte die EU-weite Zeitumstellung abgeschafft werden, könnte jedes Land für sich entscheiden, ob es dauerhaft die Sommer- oder Winterzeit haben will.
Mit Spannung wird nun der Ausgang der Umfrage erwartet. Über Zwischenergebnisse wollte die EU-Kommission am Freitag nichts verraten. Es wird allerdings damit gerechnet, dass die Mehrheit der Teilnehmer sich für eine Abschaffung der Zeitumstellung ausspricht - weil Anhänger des Status quo meist weniger motiviert sind, sich freiwillig an Befragungen zu beteiligen.
Die Kommission warnt deshalb auch davor, der Umfrage zu viel Bedeutung beizumessen oder sie gar als eine Art Referendum zu verstehen. Die öffentliche Konsultation sei nur ein Teil des Bewertungsprozesses der Sommerzeitregelung, betont Sprecher Enrico Brivio. dpa