„Exzentrisch“: Britischer Lifestyle in Hamburg

Hamburg (dpa) - William und Kate winken vom Pappaufsteller, im Laden um die Ecke gibt es Steak und Niere im Blätterteig und auf dem Rasen gehen Männer beim Rugby aufeinander los: Das britische Lebensgefühl kann man in Hamburg an vielen Ecken wiederfinden.

Direkt am Eingang lächelt das englische Prinzenpaar William und Catherine als Pappaufsteller entgegen, davor sind Teller und Löffel mit ihren Konterfeis in einer Vitrine ausgelegt. Irische Tweed-Mützen, englischer Tee oder Beatles-Hampelmänner sind rundherum drapiert. Wer sich bei dem Anblick nach London versetzt fühlt, irrt: Der britische Lifestyle ist „made in Hamburg“. Mitten im Stadtteil Ottensen hat sich die Geschäftsführerin Sandra Peters ein kleines Stück der grünen Insel in die Hansestadt geholt. Sie ist nicht die Einzige: Das britische Lebensgefühl kann man in Hamburg an vielen Ecken wiederfinden.

Neben den Läden, Sportvereinen und Pubs gibt es auch zahlreiche englische Clubs hier. Sie wollen sich auf der Ausstellung „British Flair“ (6./7. August), ehemals „British Day“, in Szene setzen. Auf dem Gelände des Hamburger Polo Clubs in Klein-Flottbek können die mehr als 15 000 erwarteten Besucher die Traditionen und Kuriositäten aus dem Vereinigten Königreich vom Gummistiefelweitwurf über Falknervorführungen und Whiskeyverkostung bis zur Aufführung des Kultstücks „Dinner for One“ kennenlernen.

Das Band zwischen dem Vereinigten Königreich und Hamburg sei schon vor rund 400 Jahren geknüpft worden, erklärt Linda Struck vom British Club Hamburg. Gerade durch den Hafen sei Hamburg für die Briten zum beliebten Handelspartner geworden. Im letzten Jahrhundert habe die britische Besatzung Hamburgs nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer noch engeren Verbindung zwischen den Hanseaten und Briten geführt. „Viele sind hier nach dem Krieg hängengeblieben, haben eine deutsche Frau geheiratet oder blieben einfach so“, sagt Struck. Aus der Zeit stammen auch einige der englischen Clubs, in denen heimische Bräuche gemeinsam zelebriert werden oder die englische Sprache gepflegt wird.

In dem kleinen Laden in Ottensen ist alles ist ein wenig schriller und bunter als man es sonst aus den kleinen Tante-Emma-Lädchen um die Ecke gewohnt ist. Sparschweine mit dem „Union Jack“ stehen neben Minzschokolade, darüber baumeln Handtücher, auf die bunte Motive oder sogar Geldscheine abgedruckt sind - ein beliebtes Sammelobjekt auf der Insel. Ein anderes Beispiel für die britische Exzentrik ist die Mode. „Die Briten tragen gerne mal etwas Schrilles, gerne auch in Knallrot“, sagt Peters. Für die Hamburger sei das mitunter gewöhnungsbedürftig, schließlich wird ihnen nachgesagt, nur Blau und Beige in ihren Kleiderschrank zu lassen. „Da ist ein hellblauer Streifen am Polohemd schon verrückt“, scherzt Peters.

Trotzdem sind die Hanseaten und die Briten auf den zweiten Blick gar nicht so unterschiedlich. Beiden wird ein etwas unterkühlter Charme nachgesagt, sie haben einen Hang zum kultivierten Beisammensein und auch vom dauerhaft verregneten Wetter ihrer Heimat können beide wohl ein Liedchen singen. Trotzdem sind sie eher naturverbunden, die Grünflächen und das viele Wasser in der Hansestadt erinnert so manchen Angelsachsen an seine Heimat. Das ist vielleicht auch einer der Gründe, warum nach einer Aufstellung des Statistischen Landesamtes von Dezember 2010 mehr als 3700 Menschen aus dem Vereinigten Königreich hier leben.

Eine von ihnen ist Wendy Sprock. Seit 21 Jahren ist die geborene Engländerin schon in Deutschland. „Seitdem ich hier lebe, bin ich viel britischer geworden“, sagt sie. Auch wenn sie sich in Hamburg wohlfühlt, weil beispielsweise die Mietpreise im Vergleich zu London noch erschwinglich sind, sucht sie hier immer wieder nach ihren Wurzeln. „Mit seinen Landesleuten hat man immer eine Verbindung. Zum Beispiel hat man in der Kindheit die gleichen Sendungen geguckt oder die gleichen Bücher gelesen.“ Deshalb setzt sie sich manchmal mit Freunden in einen der zahlreichen Pubs in Hamburg zusammen, oft veranstalten sie dann ein Quiz - auf Englisch, versteht sich. Oder sie gucken einen englischen Film im Kino. Nur den typischen Fünf-Uhr-Tee, den vermisst sie dennoch.

Bei Robert Smith sind es eher „Fish and Chips“ und „ordentlicher Speck“, die er sich in seine neue Heimat wünscht. Seit zwei Monaten trainiert er das Rugby-Team der „Hamburg Exiles“. „Hamburg ist grün, international - und vom Wetter her ein bisschen wie Klein-England“, scherzt er. Von der britischen Zurückhaltung ist derweil auf dem Rasen nicht zu spüren: Immer wieder reißen sich die jungen Männer an ihren T-Shirts auf den Boden. Helme oder Schulterpolster? Fehlanzeige. Warum sich der Sport, der im Vereinigten Königreich neben Fußball und Cricket zu einem der beliebtesten zählt, in Deutschland bislang nicht wirklich durchsetzt, kann Smith sich nicht erklären. „Die Gewalt gibt es nur während des Spiels, danach trinken wir alle ein Bier zusammen“, versichert der Trainer.

Original britisches Bier können sie zum Beispiel im Lebensmittelladen in Hamburg-Hoheluft bekommen. Dort gibt es neben Orangenmarmelade, Tee und Bier auch Türklopfer in Gold mit Hunde- und Löwenköpfen und natürlich schottischen Whiskey. Einige Frauen kommen extra für die Blumendüfte vorbei, die auch an die englische Königin geliefert werden, wie ein Wappen an der Verpackung beweist. Nur an besondere Spezialitäten wie Steak und Niere im Blätterteig wagen sich nur wenige. „Den Engländern wird nachgesagt, dass sie fast alles essen“, sagt Verkäufer Philip Holland. „Aber Vorurteile gibt es ja auf beiden Seiten.“