Fall Madeleine: Portugal kündigt neue Erkenntnisse an
Kripo jagt Kidnapper. Auch Portugals Polizei hat Indizien für Entführung.
Lissabon/Madrid. Der Fall des vor sechs Jahren in Portugal verschwundenen britischen Mädchens Madeleine könnte vor einer entscheidenden Wende stehen. Der portugiesische Generalstaatsanwalt kündigte an, dass die Ermittlungen in dem mysteriösen Vermisstenfall offiziell wieder aufgenommen werden. Es gebe unabhängig von der britischen Untersuchung "neue Indizien", welche offenbar auf eine Entführung der damals dreijährigen "Maddie" hinweisen.
Sie war am Abend des 3. Mai 2007 aus dem Ferienappartement ihrer Eltern im Algarve-Ort Praia da Luz spurlos verschwunden. Bereits vergangene Woche hatte die britische Polizei Scotland Yard mitgeteilt, dass sie neuen Zeugenaussagen nachgehe, wonach Madeleine gekidnappt worden sein könnte. Auch ein Phantombild eines mutmaßlichen Verdächtigen war veröffentlicht wurden.
Nach einem internationalen Fahndungsaufruf, der in einem Video veröffentlichten Rekonstruktion des Falles und einer neuen Suchkampagne waren tausende Hinweise bei den Polizeibehörden mehrerer Länder eingegangen, die aber bisher offenbar die Ermittlungen nicht entscheidend weiter brachten. Nun überraschten die portugiesischen Behörden mit der Verlautbarung, dass sie ebenfalls neuen Spuren nachgehen.
Die Kriminalpolizei teilte mit, dass sie bereits im März 2011 begonnen hatte, mit großer Diskretion und ohne öffentliche Ankündigung das gesamte Ermittlungsmaterial erneut zu überprüfen und zu bewerten. Mit dem Ergebnis, dass nun "neue Indizien" aufgetaucht seien. Das geheime Ermittlungsteam von der Kripo in der Hafenstadt Porto hat offenbar auch neue Zeugen ausfindig gemacht, deren Aussagen man bisher noch nicht kannte.
Auch wenn Einzelheiten nicht mitgeteilt wurden, um die weitere Fahndung nicht zu gefährden, gehen offenbar nun auch die portugiesischen Ermittler von einer Verschleppung Madeleines aus. Der ursprünglich von der portugiesischen Kripo gehegte Verdacht gegen die Eltern Kate und Gerry McCann scheint damit nun in Portugal endgültig vom Tisch zu sein. Den portugiesischen Angaben zufolge habe ein geheimes vierköpfiges Kripo-Team seit zweieinhalb Jahren unabhängig von den britischen Scotland-Yard-Beamten an dem Fall gearbeitet.
Dies sei in aller Stille erfolgt, um öffentlichen Druck auf die Polizeiarbeit zu vermeiden. Und wohl auch um mutmaßliche Kidnapper in Sicherheit zu wiegen. Ein zweites portugiesisches Kripo-Team habe derweil eng mit Scotland Yard zusammengearbeitet und jene Hinweise verfolgt, die von der Sonderkommission aus London gekommen seien.
Im Sommer 2008 hatten Portugals Staatsanwaltschaft und der zuständige Untersuchungsrichter in Großbritannien für Empörung gesorgt mit der Entscheidung, die Aktendeckel des spektakulären Falles zu schließen. Man stecke in einer Sackgasse, alle Spuren seien im Sand verlaufen, hieß es damals. Der damalige Chefermittler, der Kate und Gerry McCann beschuldigt und aus seinem unbewiesenen Verdacht sogar ein Buch gemacht hatte, wurde inzwischen selbst wegen Verleumdung vor Gericht gestellt. (ze)