Faszination Gewitter: Wie Dennis (36) aus Neuss zum Sturmjäger wurde

Wenn es so richtig kracht, will Dennis Oswald nah dran sein. Der Neusser (36) ist Sturmjäger und hetzt Gewitterzellen hinterher.

Neuss. Auch unter Unwettern gibt es Schönheiten und Mauerblümchen. „Nicht jedes Gewitter ist gleich fotogen“, sagt Dennis Oswald. Und fügt hinzu: „Der schwerste Sturm ist nicht automatisch der schönste.“ Der 36-Jährige hat sich das Ablichten von dunklen Wolkenbergen, von grellen Blitzen und rasenden Tornados zur Lebensaufgabe gemacht.

Foto: Dennis Oswald

Seine Fotos zieren in Plakatgröße die Wohnzimmerwände begeisterter Privatleute und wurden bereits in Magazinen wie „Geo“ und „National Geographic“ abgedruckt. Auch Versicherungen interessieren sich inzwischen immer mehr für sein Schaffen: Heftige Stürme bedeuten eben oft auch heftige Schäden. In absehbarer Zeit will Oswald, der noch als Veranstaltungstechniker jobbt, ganz von dieser Arbeit leben können.

Foto: Dennis Oswald

Seine spektakulären Motive findet der Neusser zum Teil vor der Haustür. Den Pfingststurm „Ela“ , der vor drei Jahren Düsseldorf und Umgebung in Atem hielt, bekam er in Jüchen bei Mönchengladbach vor die Linse. „Das war das Heftigste, was ich bislang in Deutschland erlebt habe“, erzählt er noch immer sichtlich beeindruckt. Seine erstes gelungenes Unwetter-Shooting fand vor etwa 17 Jahren in Kaarst statt. Damals schaffte er es erstmals, Blitze gut auf Film zu bannen. „Im Dunkeln ist das relativ einfach, da man lange belichten kann“, erklärt Oswald. Im Hellen dagegen sei das Einfangen der leuchtenden Zickzacklinien pure Glücksache.

Foto: Dennis Oswald

Bereits als Kind war er von Gewittern fasziniert und wurde von seinen Eltern „mit naturwissenschaftlichen Sachbüchern gefüttert“. Später machte er sich als Hobby-Wetterfrosch mit eigener Messstation im Garten einen Namen in seiner Heimatstadt. Das Studium der Geografie und Meteorologie war dann nur die logische Konsequenz. Parallel dazu entwickelte sich sein fotografisches Können, das er sich komplett autodidaktisch angeeignet hat.

Foto: Dennis Oswald

Sein künstlerischer Anspruch unterscheide ihn von der Masse der Stormchaser, der Sturm-Jäger, deren Zahl er hierzulande auf einige hundert Frauen und Männer schätzt. „Die meisten fotografieren die Unwetter lediglich zur Dokumentation“, sagt Dennis Oswald. Doch das sei keinesfalls abschätzig gemeint: Man kennt und schätzt sich in der Community, die Passion für Blitz und Donner hat so manche Freundschaft gestiftet.

Und das gilt weltweit. Über das Internet hält er Kontakt zu Gewitter-Sammlern auf fast allen Kontinenten. Seine besondere Liebe gilt den USA, deren Mittlerer Westen als Tornado-Dorado gilt. Tausende dieser Windhosen suchen das Land in jedem Jahr heim. Zum Vergleich: Das um ein Vielfaches kleinere Deutschland zählt laut Oswald jährlich etwa 40 bis 60 Tornados.

2009 unternahm er die erste Expedition jenseits des Atlantiks. „Drei Wochen lang habe ich mich praktisch 24 Stunden am Tag mit dem Wetter beschäftigt.“ Seitdem fliegt er jedes Frühjahr nach Nordamerika. Zwischen April und Juni ist „Jagdsaison“ für die Stormchaser. Ihr riesiges Revier liegt zwischen Mexiko im Süden, Kanada im Norden, den Rocky Mountains um Westen und dem Mississippi im Osten. „Im vergangenen Jahr bin ich fast 10 000 Kilometer in zwölf Tagen gefahren“, erzählt Dennis Oswald. Der Weg zu den Fotos, die Begegnungen mit den Menschen vor Ort, mit den Landschaften und den Kulturen sind für ihn sehr wichtig. Ob in Texas, Oklahoma oder Kansas — überall hat er Freunde, mit denen er fachsimpeln kann.

In diesem Jahr muss er wegen einer Verletzung aussetzen, was ihn wurmt. Seiner Familie, vor allem seiner Mutter, wird die Zwangspause dagegen vielleicht gar nicht so unrecht sein. Sie sage zwar nichts, aber er wisse, dass sie immer erleichtert sei, „wenn ich aus solch einer Nummer wieder raus bin“, sagt er. Das ist bei seinen Erzählungen nicht weiter verwunderlich.

Er habe schon einen Tornado erlebt, der mit mehr als 300 Stundenkilometer durch die Landschaft gefegt sei. „Zum Glück bewegte sich der nur über ein abgeerntetes Feld. Wenn eine Ortschaft im Weg gewesen wäre, hätte es übel ausgehen können.“

Doch „im Auge des Sturms“ sei er nie zu finden. „Ich halte grundsätzlich Abstand“, betont Dennis Oswald. Und wie bereits erwähnt: Für ein gutes Foto brauche er nicht zwingend „einen halben Weltuntergang“. Eines seiner besten Fotos sei während eines einfachen Schauers entstanden.

dennisoswald.de