Fiasko für die BBC: Vertuscht, verleumdet, versendet
Erst verhindert der britische Sender BBC Berichte über einen Pädophilen-Skandal, dann wird ein Unschuldiger öffentlich bloßgestellt.
London. Den Reportern von „Newsnight“, dem renommierten BBC-Sendeplatz für Investigativ-Geschichten, war ein Coup gelungen: Im täglich dichter werdenden Skandal um missbrauchte britische Heimkinder hatten sie ein Opfer gefunden, das bestätigte, in der Jugend von einem hochrangigen Politiker vergewaltigt worden zu sein.
Die Sendung wurde groß angekündigt, auf Twitter heizte ein Mitarbeiter Spekulationen um die Identität des Täters weiter an: „Wenn alles gut läuft, enttarnen wir heute Abend einen wichtigen Konservativen als Pädophilen.“
Obwohl dessen Name nicht fiel, reichten die Andeutungen, um den mutmaßlichen Vergewaltiger als Lord Alistair McAlpine zu identifizieren — Ex-Schatzmeister der Konservativen.
Der Knüller hatte nur einen Haken: McAlpine hat nie Kinderheime in Wales besucht und kennt das Opfer nicht — der Politiker, dessen Name seit der Panne durchs Netz kursiert, ist unschuldig.
Nach dem Fiasko hat BBC-Generaldirektor George Entwistle Samstagabend seinen Hut genommen. Er war erst vor kurzem ins Kreuzfeuer geraten, nachdem „Newsnight“ eine Enthüllungsgeschichte über den pädophilen BBC-Moderator Jimmy Savile nicht gesendet hatte. Entwistle mühte sich offenbar noch um Schadensbegrenzung, als das Redaktionsteam die Falschmeldung über den Politiker sendete.
In einem peinlichen Interview offenbarte der Sender-Chef riesige Informationslücken: Entwistle hatte sich mit den Anschuldigungen gegen McAlpine gar nicht groß befasst. Er hatte die Sendung nicht gesehen, keine Titelseiten gelesen und wusste nicht, dass da ein offensichtlich Unschuldiger öffentlich von der BBC verleumdet worden war.
Die Hexenjagd ist damit nicht vorbei: Nur Stunden nach Entwistles dramatischem Rücktritt kursierte auf einem britischen Nachrichtenportal der Klarname einer anderen Politik-Größe, der der wahre Täter in dem Fall sein soll. Dutzende Promis haben sich nach Angaben von Medienberatern bereits Beistand gesucht, da auch sie fürchten, in den Strudel der Vorwürfe hineinzugeraten.
Ungemütlich wird es auch für die Redaktion von „Newsnight“: Weitere Führungskräfte sollen wegen der schlampigen Recherchen ihren Hut nehmen. Als Sofortmaßnahme gegen das Chaos sind die nächsten, heiklen Themen erst einmal aus dem Programm gestrichen worden.
Statt einer Enthüllungsgeschichte über die reichen Barclays-Brüder sendet die BBC diese Woche eine Dokumentation über Dachse.