Filmfestspiele: 60 Jahre und gar nicht leise
Hollywood-Stars stürmen im Jubiläumsjahr die Cote d’Azur. Die mobilen Bauten schaffen Platz für den Filmmarkt, für Diners und Partys, Studios oder Bühnen.
<strong>Cannes. Die Tage, an denen Brigitte Bardot beim Festival von Cannes entspannt am Strand spazieren gehen konnte, sind vorbei. Heute, im 60. Jahr der wichtigsten Filmfestspiele der Welt, überwuchert eine Zeltstadt den Sandstreifen am Palmenboulevard La Croisette. Die mobilen Bauten schaffen Platz für den Filmmarkt, für Diners und Partys, Studios oder Bühnen. Wenn die Bardot oder ihre Nachfolgerinnen es jetzt trotzdem bis zum Meer schaffen würden, belagerten Dutzende, wenn nicht Hunderte von Fotografen jeden Schritt. Tief durchatmen und mit den Füßen im Wasser plantschen: unmöglich.
Es ist kein Fußballturnier und Afrika fehlt ganz. Dennoch trumpfen die Festspiele mit einer Aufstellung im Wettbewerb auf, die einer Meisterschaft würdig wäre. Junge "Herausforderer" treten vom 16. bis 27. Mai gegen "Titel"-Sammler an, drei Frauen konkurrieren mit und das Durchschnittsalter aller Regisseure im Wettbewerb liegt äußerst niedrig bei unter 46 Jahren.
Das Programm verheißt unterschiedliche "Spielkulturen" von Hollywood-Produktionen, die für eine enorme Starpräsenz sorgen, bis zum Kunstkino aus Europa und Asien. "Wir wollten große Namen und jungen Nachwuchs vereinen", kommentiert Gilles Jacob, Präsident des berühmten Festivals, die kontrastreiche Auswahl.
Ohne Palme, aber mit vielen Lorbeeren bedacht, kehren der Chinese Wong Kar-Wai und der Russe Alexander Sokurow an die Cote d’Azur zurück. Wong eröffnet morgen Abend den Reigen mit seinem ersten in den USA gedrehten Film "My Blueberry Nights" und bringt Starpower vor die Kameras. Die Musikerin Norah Jones feiert in dem romantischen Drama ihr Kinodebüt, flankiert von den Stars Jude Law und Natalie Portman.
Mit sechs Filmen in der Konkurrenz sind US-Regisseure stark vertreten. Nach den Kinohits "Fight Club" und "Seven" hat David Fincher für den Thriller "Zodiac" mit Jake Gyllenhall seine erste Einladung nach Cannes erhalten. Fan-Jubel beim abendlichen Defilée werden auch Joaquin Phoenix und Mark Wahlberg in James Grays Mafia-Krimi "We Own The Night" sorgen.
Sperriger dürfte "Die Tauerglocke und der Schmetterling" des New Yorker Künstlers Julian Schnabel ausfallen. Er hat die Aufzeichnungen eines Franzosen verfilmt, dessen Körper nach einem Schlaganfall im "Locked-in-Syndrom" gefangen war.
Der Hamburger Filmemacher Fatih Akin ist zwar erst 33 Jahre alt, dennoch tritt der Europäischer Filmpreisträger ("Gegen die Wand") in Cannes fast zu einem "Heimspiel" an, nachdem er 2005 in der Wettbewerbsjury gesessen hat. Der deutsch-türkische Regisseur bleibt in "Auf der anderen Seite" bei seinem Thema, dem Leben mit und zwischen zwei Kulturen. Über die Suche nach Sinn und Arbeit im erweiterten Europa geht es in "Import Export"von Ulrich Seidl.
Der gebürtige Düsseldorfer Jan Bonny (28) bringt seinen ersten Spielfilm "Gegenüber" in die unabhängige Nebenreihe "Quinzaine des Réalisateurs". Der Schauspieler Matthias Brandt spielt hier einen Polizisten, der zunehmend die Kontrolle über sein Leben und seine scheinbar ganz harmonische Ehe verliert. Am Ende steht Gewalt.
Die Frauen im Wettbewerb bringen auch weibliche Themen ein: Als subversive Comiczeichnerin ist die Iranerin Marjane Satrapi bekannt geworden. Ihr berühmtestes Buch "Persepolis" über die Jugend eines Mädchens im Iran kommt nach Cannes. Wer erotische Provokationen sucht, kann diese vielleicht bei der Französin Catherine Breillat und "Une vieille maitresse" (Eine alte Geliebte) finden. Breillat hat sich in früheren Werken über weibliche Sexualität nah an die Grenzen der Pornografie gewagt.
Zum Geburtstag haben 35 bekannte Regisseure sich in kurzen Filmbeiträgen mit der Magie des Kinos beschäftigt. In der Wettbewerbsjury unter der Leitung von Stephen Frears sitzt auch Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk. Und mit Oscar-Gewinner Martin Scorsese, Angelina Jolie und Brad Pitt ist die Gästeliste prominent.