Modetrend Flanking: Wer hip sein will, muss bibbern

„Flanking“ heißt ein kurioser Modetrend, der auch im tiefsten Winter auf entblößte Knöchel setzt. Eine Betrachtung.

Nur die Harten kommen in den Garten: Kathrin Eßer (26) aus Düsseldorf macht den Flanking-Trend auch im Winter mit.

Foto: Lepke, Sergej (SL)

Düsseldorf. Der Winter: Modisch steht er für dicke Mäntel, kuschelige Strickpullover, farbenfrohe Schals — und nackte Knöchel. Wer sich nun fragt, was angesichts von Temperaturen jenseits der Null-Grad-Marke nicht in diese Reihe passen könnte, hat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. „Flanking“ — eine kunstvolle Wortschöpfung aus den englischen Begriffen „flashing“ (aufblitzen) und „ankle“ (Knöchel) — heißt das modische Gebot der Stunde, ohne das auf den Fashionblogs der Republik gerade nichts mehr geht. Schon Sarah Jessica Parker flanierte in „Sex and the City“ mit nackten Beinen und Pelzmantel durchs winterliche New York.

Nur die Harten kommen in den Garten: Julian Klein (28) aus Düsseldorf macht den Flanking-Trend auch im Winter mit.

Foto: Lepke, Sergej (SL)

Auch in Düsseldorf auf der Kö kann man sie in diesen Tagen trotz der ersten Schneeflocken beobachten: Junge Damen, das Louis-Vuitton-Täschchen kokett am Handgelenk baumelnd, tragen zu ihrem hippen Outfit eine knöchellange oder gekrempelte Hose, die einen Blick auf die entblößten Fesseln der Trägerin gewährt. Als Blickfang setzt sie diese mit einem Fußkettchen oder einem Tattoo in Szene.

Wer nun der naiven Vermutung aufsitzt, dass das Geld ob der teuren Tasche eben nicht mehr für eine lange Hose gereicht hat, den muss Tu Anh Nguyen aufklären. Die 24-jährige Düsseldorferin mit vietnamesischen Wurzeln ist Modedesignerin am Fashion Design Institut und mit skurrilen Erscheinungen im Modezirkus bestens vertraut: „Es gibt viele Varianten, mit denen Frauen beim Modetrend Flanking kreativ spielen können. Wichtig ist nur, dass die Socken dabei nicht zu sehen sind.“ Sei es mit einer Fransenhose oder einer stylishen Röhrenjeans, die einen Sneaker unabhängig von der Jahreszeit erst richtig zur Geltung bringen. Ob die vor Kälte blau angelaufenen Knöchel der Flankerin sich farblich auch harmonisch in den Look einfügen, steht auf einem anderen Blatt.

Während bei den Damen eine weit geschnittene, knöchelfreie Hose angesagt ist, darf zwar auch bei den Herren hemmungslos „geflankt“ werden, weiß Nguyen. „Männer sollten allerdings eher zu schmal geschnittenen Hosen greifen. Kombiniert mit einer Mütze oder einem Schal kann das sehr lässig aussehen.“

Nun sind masochistisch anmutende Modetrends in Gestalt von Zehn-Zentimeter-High-Heels und Formunterwäsche tendenziell eher Frauensache. Ob man es nun als einen Sieg der Gleichberechtigung feiern kann, dass auch man(n) einen grippalen Infekt riskiert, um mit Flanking modisch auf der Höhe zu bleiben, darüber können Feministinnen trefflich streiten.

Ein ungeschriebenes Gesetz der Modewelt besagt derweil, dass morgen schon schwer im Trend liegen kann, was gestern noch streng verpönt war. So waren knöchellange Hosen lange als „Hochwasser-Hosen“ verschrien und gehören traditionell zu den klassischen Insignien eines Clowns. Ganz anders hingegen verhielt es sich im Zeitalter des Barock, wo ein Edelmann von Welt nicht zuletzt an seiner Kniebundhose zu erkennen war und ebenfalls Knöchel zeigte.

Die Vergangenheit ist den „Influencern“, die in ihren Modeblogs im Netz den Ton angeben, derweil ziemlich schnuppe — sie richten ihren Blick ausschließlich auf die Gegenwart. Ein bisschen Frösteln lässt sich wohl ertragen, wenn der Look nur für einen kurzen Schnappschuss für den eigenen Instagram-Kanal halten muss. Sieht ja niemand, wenn frau danach wieder in wetterkonforme Wollsocken schlüpft. Um den Trend mitzumachen, greifen geübte Flanker tief in die Trickkiste: Wärmende Cremes mit stimulierenden Zusätzen sollen die Kälte abhalten und zumindest die Schuhe werden mit Lammfellsohlen gespickt.

Sarah Schons, Ärztin

Und dann gibt es da noch die Macht des Glaubens: Um Flanking schönzureden, haben findige PR-Strategen das Gerücht gestreut, die nackten Knöchel im Winter hätten eine abhärtende Wirkung und stärkten gar das Immunsystem.

Ein veritables Ammenmärchen, für das die Düsseldorfer Ärztin Sarah Schons nicht einmal ein müdes Lächeln übrighat: „Flanking im Winter ist so ziemlich das Ungesündeste, was man sich ausdenken kann“, geißelt die Immunologin den umstrittenen Modetrend. „Der Winter braucht festes Schuhwerk und dicke Socken. Die Füße müssen genauso warmgehalten werden wie der Kopf.“ Eine Erkältung sei das geringste Übel, mit der leichtsinnige Flankerinnen im Winter davonkommen könnten. „Wer sich auch an den Beinen nicht warm genug kleidet, kann sich schnell eine Blasenentzündung zuziehen.“ Gerade Frauen seien dafür sehr anfällig. Schons findet für die modische Marotte deutliche Worte: „Wer flankt, soll die Behandlungskosten selbst bezahlen.“