Flüchtlingsbürgen müssen einen Teil der Sozialleistungen zahlen

Kosten für den Lebensunterhalt sind rechtens, so das OVG Münster. Jobcenter dürfen aber nicht für Kranken- und Pflegeversicherung kassieren.

Münster. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Haftung von Flüchtlingsbürgen eingeschränkt — aber in einem weitaus geringeren Maße als von den Klägern gehofft. Wer im Rahmen humanitärer Aufnahmeprogramme für einen syrischen Flüchtling eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, muss zwar auch künftig für dessen Lebenshaltungskosten aufkommen — und zwar auch dann, wenn derjenige eine Asylberechtigung hat oder als Flüchtling anerkannt wurde. Die Jobcenter können den Bürgen aber keine Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung in Rechnung stellen.

Einer der beiden klagenden Flüchtlingsbürgen, William Eichouh, zeigte sich gestern unmittelbar nach dem Urteil in Münster enttäuscht: „Es ist eine Erleichterung, aber es ist immer noch zuviel Geld für mich“, sagte der 46-Jährige nach der Verhandlung gestern. Der deutsche Staatsangehörige syrischer Herkunft hatte 2014 eine Verpflichtungserklärung für seinen Bruder und dessen Ehefrau abgegeben. Das Jobcenter verlangt von ihm nun rund 5200 Euro für geleistete Sozialleistungen zurück - über 3000 Euro muss er nach dem Urteil zahlen.

Eichouhs Sorge: Er rechnet nun mit weiteren Forderungen des Jobcenters in Höhe von mehreren Zehntausend Euro. Denn die 5200 Euro decken nicht alle Sozialleistungen des Jobcenters für seinen Bruder und dessen Frau ab. Für ihn eine große Belastung: Er habe drei Kinder und einen Hauskredit abzuzahlen, sagte er vor dem Prozess.

Im Rahmen humanitärer Landesaufnahmeprogramme konnten syrische Flüchtlinge ab 2013 nach Deutschland kommen, wenn jemand hier sich verpflichtete, für ihre Lebenshaltungskosten aufzukommen. Das Aufnahmeprogramm in NRW gab es 2013 und 2014. Strittig war, wie lange diese Verpflichtungserklärung die Bürgen binden sollte.

Nach einem Erlass des NRW-Innenministeriums von April 2015 sollte die Verpflichtungserklärung enden, wenn Syrer einen Aufenthaltstitel nach einem erfolgreich durchlaufenen Asylverfahren haben. Demgegenüber war das Bundesinnenministerium der Auffassung, dass die Verpflichtungserklärung auch danach noch weiter gilt.

Nach dem neuen Integrationsgesetz von 2016 endet die Dauer der Verpflichtungserklärung nun pauschal nach fünf Jahren, für die Altfälle von 2013 und 2014 dagegen bereits nach drei Jahren. Im Januar 2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass diejenigen, die eine Verpflichtung für einen Flüchtling abgegeben haben, auch dann bürgen müssen, wenn er ein Asylverfahren erfolgreich durchlaufen hat. Dieser Rechtsprechung ist das OVG gestern weitgehend gefolgt. Der Richter ließ es nicht gelten, dass Eichouh argumentierte, der damalige Innenminister habe die Aussage getätigt, die Verpflichtungserklärung dauere nur so lange, bis derjenige als Flüchtling anerkannt wird. „Sie haben ihre Verpflichtungserklärung vor der Ausländerbehörde früher abgegeben“, sagte er. In dem zweiten Fall sollte ein türkischer Staatsangehöriger ursprünglich 3400 Euro zurückzahlen — auch er muss große Teile dieses Betrages zurückzahlen. dpa