Amtlicher Bericht Flug #4U9525 — die letzten Minuten
Wie alle Versuche der Kontaktaufnahme scheiterten, was der Co-Pilot am Tag vor dem Unglück machte, und welche Sorgen der Kapitän hatte.
Düsseldorf. Der Zwischenbericht der französischen Flugsicherheitsbehörde Bea zum Absturz des Germanwings-Flugs am 24. März führt noch einmal die ganze Dramatik des Geschehens vor Augen — und enthält einige bemerkenswerte Neuigkeiten. Allen voran die Erkenntnis, dass der Co-Pilot, der die Maschine zum Absturz brachte, die tödliche Kursänderung schon auf dem Hinflug von Düsseldorf nach Barcelona getestet hatte.
Die Minuten vor dem Absturz in den französischen Alpen, so zeigen die Aufzeichnungen, waren dramatisch. Vier Minuten und sieben Sekunden, nachdem der Kapitän das Cockpit verlassen hatte, ertönt der Summer, der anzeigt, dass jemand Zutritt zum Cockpit haben möchte. Da ist die Maschine längst im Sinkflug. Zwischen 10.35 und 10.39 Uhr werden sechs Mal Geräusche, „ähnlich dem Klopfen einer Person an die Cockpittür“, aufgezeichnet. Zwischen 10.37 Uhr und 10.40 Uhr sind mehrfach dumpfe Stimmen zu hören. Um 10.37 Uhr, so heißt es, bittet eine dumpfe Stimme darum, dass die Tür geöffnet wird.
Zwischen 10.35 Uhr und 10.37 Uhr versucht das Kontrollzentrum Marseille fünfmal auf verschiedenen Frequenzen, Kontakt mit der Flugbesatzung aufzunehmen — ohne Antwort. Um 10.39 Uhr versucht eine andere Flugbesatzung, die Germanwings-Flugbesatzung zu kontaktieren — ebenfalls ohne Antwort. Zwischen 10.39 und 10.40 Uhr werden „fünfmal Geräusche ähnlich starkem Schlagen gegen die Cockpittür“ aufgezeichnet.
Der Tag des Co—Piloten vor dem Unglücksflug verläuft laut dem Bea-Zwischenbericht so: Am 23. März ist er ab drei Uhr als Reserve eingeteilt und macht zwischen 4.57 Uhr und 5.56 Uhr einen Überführungsflug von Düsseldorf nach Berlin Tegel. Gegen 8.20 kommt er als Passagier nach Düsseldorf zurück. Von wo er am nächsten Morgen nach Barcelona startet.
Auch zur Krankheitsgeschichte des Co-Piloten enthält der Bericht Details. So war in der Pilotenlizenz des 27-Jährigen ein Hinweis auf seine medizinische Vorgeschichte vermerkt (sogenannter „SIC-Eintrag“). Dies bedeutet, dass der Fliegerarzt vor der regelmäßigen Beurteilung der Flugtauglichkeit die Lizenzbehörde — in Deutschland das Luftfahrtbundesamt — kontaktieren müsse.
Laut Bea erneuerte das Flugmedizinische Zentrum der Lufthansa das Tauglichkeitszeugnis wegen einer mit Medikamenten behandelten Depression 2009 zweimal nicht. Im selben Jahr habe er dann ein neues Tauglichkeitszeugnis erhalten. Dies zeige, dass der Fall des Mannes damals aufmerksamer untersucht worden sei, sagte Bea-Direktor Rémi Jouty.
Nicht besonders vertrauenerweckend sind auch die Fakten, die der Bericht über den Zustand des Flugzeugs enthält: Während des Unfallfluges, so heißt es, funktioniert ein Teil der Ausrüstung nicht. Das Flugzeug kann mit einigen akzeptablen (zurückgestellten) Beanstandungen immer noch fliegen: Das „Cabin ready light“ ist seit dem 6. März 2015 nicht vorhanden. Am 23. März 2015 wird Spiel im Bereich des Schließmechanismus der linken Klappe des Bugfahrwerks gefunden. Seit dem 24. März 2015 funktioniert die Zündung B für das Starten des rechten Triebwerks nicht.
Am Absturztag, während des Aufenthaltes in Barcelona, kontaktiert der Kapitän die Germanwings-Technik in Köln wegen eines Problems mit der Spülung der vorderen Toiletten. Die Kontaktperson am Telefon rät ihm daraufhin, den Sicherungsautomat des Systems, der sich im Heck des Flugzeuges befand, zurückzusetzen. Da noch nicht alle Passagiere das Flugzeug verlassen hatten, sagt der Kapitän, er werde den Vorschlag so bald als möglich umsetzen und noch einmal anrufen, sollte das Problem weiter bestehen. Es werden keine weiteren Anrufe aufgezeichnet. Ob dies am Ende der Grund war, warum der Kapitän während des Fluges das Cockpit verließ, thematisiert der Zwischenbericht nicht.