Forscher: Medien zementieren Vorurteile über Ossis
Jena (dpa). Westdeutsche Medien beschreiben Ostdeutsche nach einer Studie noch immer als fremdartig. „Die Ostdeutschen werden nicht auf Augenhöhe wahrgenommen, sondern sie bleiben auch zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall die Anderen“, sagte Historiker Rainer Gries von der Universität Jena in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Mit den Vorurteilen gegenüber den Ossis stärkten die Westdeutschen ihre eigene Identität. „Unsere Forschung ist deshalb auch ein Plädoyer an die Medien, ihren Blickwinkel zu erweitern.“ Die Untersuchung über die überregionalen Medien wurde von den Universitäten in Jena, Leipzig und Wien erarbeitet.
Die Berichterstattung zu Ostdeutschland konzentriere sich aufwenige Themen. Im Bereich Politik und Geschichte dominiere dasProblem Stasi. „Der Stasi-Verdacht ist immer noch einTotschlagargument“, sagte Gries. In der Wirtschaftspolitik würden dieostdeutschen Länder meist passiv dargestellt: „entweder als Objektpolitischer Aktivitäten des Westens oder als Empfänger vonZuwendungen“.
Dabei entwickele jedes Medium durchaus seinen eigenen Blickwinkel.Der Berliner Tageszeitung „taz“ etwa sei die Enttäuschung anzumerken,dass die Ostdeutschen sich schnell den westlichen Konsumgewohnheitengebeugt hätten. „Sie beschreiben die Ostdeutschen deshalb häufig alsvon der Diktatur deformierte, autoritäre Persönlichkeiten“, sagteGries.
Dagegen bemängele die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ immerwieder die fehlende Identifikation der ehemaligen DDR-Bürger mit derBundesrepublik und stelle sie als unbelehrbare Nostalgiker dar.Der Historiker sieht allerdings auch Hoffnungszeichen: „DieVorurteile haben inzwischen nicht mehr die Schärfe wie in den 1990erJahren.“ Die vollständige Überwindung werde allerdings noch einigeJahre brauchen. „Der Prozess der unterschiedlichen Wahrnehmung hat jabereits 1945 begonnen. Das lässt sich nicht auf die Schnelle ändern.“
Ähnlich lange wird es nach Ansicht von Gries auch dauern, bis dieüberregionalen Blätter in den neuen Ländern ihr Publikum finden. Hiersei ihr Marktanteil deutlich geringer als im Westen. „DieOstdeutschen erwarten längst nicht mehr, dass ihr Leben inbundesweiten Medien angemessen widergespiegelt wird.“ Gewinner seienjedoch die Zeitschrift „Super illu“ und der Sender MDR, die „dieSeele der Ostdeutschen streicheln und ihnen Sicherheit geben“.