Retrospektive "Wackerbrarth: heimat.nrw" in Düsseldorf Fotograf Wackerbarth: Rotes Sofa ist Fluch und Segen
Düsseldorf.Horst Wackerbarth, das ist „der mit dem roten Sofa“. Seit fast 40 Jahren fotografiert der 66-Jährige Prominente und „Alltagsmenschen“ auf einer roten Couch. Manchmal überlässt er das Möbelstück auch wilden Tieren.
In mehr als 50 Länder reiste Wackerbarth mit dem roten Sofa. Im Interview erzählt er, wie viele Sofas er verschlissen hat und wer darauf Platz nahm. Von der Couch komme er nicht mehr los, sagt Wackerbarth: „Das Sofa ist Fluch und Segen zugleich.“
Das NRW-Forum in Düsseldorf zeigt vom 17. September bis zum 30. Oktober die Retrospektive „Wackerbarth: heimat.nrw“. Zu sehen sind mehr als 200 Werke - nicht nur mit dem berühmten roten Sofa, sondern auch aus seinen künstlerischen Anfängen.
Auf dem wievielten roten Sofa sitzen Sie gerade?
Wackerbarth: Das ist das vierte. Das ist seit 1995 im Einsatz. Hier haben die meisten Leute drauf gesessen. Ungefähr 600.
Und was ist mit den anderen drei Sofas passiert?
Wackerbarth: Das erste fiel bei einem Schiffsmanöver in den Pazifik, das zweite ist verbrannt bei einer Feuerwehrübung, das dritte Sofa ist versehentlich in Frankfurt von Arbeitern an einem Ausstellungsort entsorgt worden.
Wohin sind Sie mit diesem Sofa gereist?
Wackerbarth: An den Polarkreis, nach China, in den Regenwald. Vor sieben Wochen war es in der Schweinemast. Ich lass es immer wieder neu beziehen. Ich habe das Sofa auch mal in Westsibirien Eisbären zur Verfügung gestellt. Die haben damit gespielt, da hat sich der Rahmen verzogen. Ich habe es auch im Duisburger Zoo einem Löwenrudel überlassen.
Welche Persönlichkeiten haben auf Ihrem Sofa gesessen?
Wackerbarth: Michail Gorbatschow, Jehudi Menuhin, Herbert Grönemeyer, Steve Jobs, Hugh Hefner, Jimmy Carter, Götz George. Demnächst kommt der Papst drauf. Wir haben eine Zusage.
Frage: Welches waren die für Sie wichtigsten Menschen auf dem Sofa?
Wackerbarth: Für mich sind Alltagsmenschen am spannendsten. Ich stelle den Leuten seit 1995 zwölf universelle Fragen, die Auskunft geben über das menschliche Sein, Glück, Unglück, Tod, die größte Angst oder was sich am Zustand der Welt ändern müsste. Die Fragen habe ich so ausgesucht, dass ein Kind sie genauso beantworten kann wie ein erfahrener Mann und ein Analphabet genauso wie ein Nobelpreisträger.
Wie viele Menschen haben Sie interviewt?
Wackerbarth: Mehr als 1400 Menschen haben mir in 55 Sprachen diese Fragen beantwortet.
Wie kamen Sie auf das rote Sofa?
Wackerbarth: Ich war mit einem Freund, Kevin Clarke, in New York. Wir kamen im Loft eines Kollegen, eines amerikanischen Bildhauers unter. Er hatte ein rotes Sofa von seinen Eltern geschenkt bekommen. Wir haben mit einem Schlafsack drauf geschlafen. Das war die erste Begegnung. Dann hat mein Freund es mal für ein Projekt in einen leergepumptem Swimmingpool transportiert. Daraus ist zufällig auf der Straße ein Bild entstanden.
Ist die rote Couch Kunst?
Wackerbarth: Das ist Konzeptkunst. Die Couch ist ein Ready Made. Und wenn es Marcel Duchamp nicht gegeben hätte, würde es wahrscheinlich die Couch auch nicht geben. Dieses Sofa bringt alle Menschen auf eine Augenhöhe. Das Sofa macht den Menschen, der darauf Platz nimmt, wertvoll. Egal ob er im Gefängnis sitzt oder sonst was.
Warum halten sie so lange an dem roten Sofa fest?
Wackerbarth: Das ist wirklich mühsam, besonders wenn du jahrzehntelang von dem Ding in Geiselhaft genommen wirst. Aber du kommst nicht mehr los davon. Das Sofa ist Fluch und Segen zugleich. Der Segen ist: Du bist unverwechselbar. Günther Uecker hat seine Nägel, Joseph Beuys hatte Filz und Fett, Christo hat seine Verpackungen und ich habe halt dieses Sofa. Der Fluch ist, dass Arbeiten, die nicht schlechter sind, gar nicht so wahrgenommen werden. Du bist halt „der mit dem Sofa“.
Warum sind Sie für Ihr neues Projekt nur in Nordrhein-Westfalen mit dem Sofa herumgereist und haben es „heimat.nrw“ genannt?
Wackerbarth: Ich bin ja ein Mensch, der mit Heimat immer seine Probleme hatte, weil ich aus einer Generation komme mit Nazi-Elternhaus und Heimat oft mit „völkisch“ oder „Blut und Boden“ gleichgesetzt wurde. Ich konnte von Düsseldorf aus nie weit genug weg. Jetzt lerne ich das erste Mal mit diesem Projekt meine Heimat kennen. Ich habe festgestellt: Ich hätte gar nicht weit fahren müssen. Weil du in so einem kleinem Zipfel inzwischen die ganze Welt findest.
dpa