Fotografien von Joel Meyerowitz in Düsseldorf
Düsseldorf (dpa) - In den USA gehört Joel Meyerowitz zu den Stars der Fotografie, in Deutschland ist er weniger bekannt.
Meyerowitz gehört neben William Eggleston und Stephen Shore zu den Wegbereitern der künstlerischen Farbfotografie in den USA. Der heute 76 Jahre alte Meyerowitz war der einzige Fotograf, der direkt in das Trümmerfeld von Ground Zero nach den Anschlägen auf das World Trade Center vom 11. September 2001 gelassen wurden. Die Bilder der Rettungskräfte, die in den rauchenden Überresten der Zwillingstürme nach Spuren von Leben suchen, treffen mitten ins Herz.
Im Düsseldorfer NRW-Forum ist bis zum 11. Januar 2015 die bislang größte Retrospektive zum Werk von Meyerowitz zu sehen. Mehr als 260 Fotos aus über 50 Jahren zeigen die Facetten des Fotografen. Auf seiner großen Europa-Reise in den 60er Jahren zum Beispiel erfand Meyerowitz eine ganz besondere Technik der Straßenfotografie - er fotografierte aus dem Autofenster heraus. In den 70er Jahren fotografierte er Straßen und Städte in den USA - die nüchtern-sachlichen Aufnahmen waren stilbildend für die berühmte Düsseldorfer Becher-Schule.
Die Fotos seiner Europareise 1966/67 zeigte das Museum of Modern Art (MoMA) in New York bereits 1968 in einer Einzelausstellung. „Viele Fotos habe ich aus dem fahrenden Auto heraus gemacht“, sagt Meyerowitz der Nachrichtenagentur dpa. „Das Autofenster war wie eine Linse und das Auto die Kamera, und ich war in der Kamera.“
Meyerowitz dokumentierte mit seiner Leica das Nachkriegseuropa: archaisch wirkende Szenen in Südspanien, wo ein totes Pferd von einem Karren gehievt wird, Ausflügler in der Bundesrepublik, verschleierte Frauen in der Türkei, Straßenleben in Paris, mal brutal, dann wieder beschwingt. Nichts ist gestellt in diesen Bildern, Meyerowitz fing unwiederbringliche Momente ein. „Es war auch riskant, weil man die Kontrolle über die Aufnahme aufgibt“, sagt er. Oft habe er eine interessante Szene gesehen, aber nicht rechtzeitig auf den Auslöser drücken können.
„Fotografieren ist ein Weg, die ganze Bandbreite der menschlichen Möglichkeiten zu erforschen“, sagt Meyerowitz. Und: „Ich wollte die Fotografien nicht dominieren.“ Er fing in den 60er Jahren an, mit zwei Leicas zu fotografieren - ein Motiv jeweils in Schwarz-Weiß und in Farbe. Die Fotos etwa aus Frankreich oder Florida werden in Düsseldorf nebeneinandergestellt.
Sein Jahr in Europa bezeichnet Meyerowitz als „das reichste Jahr seines Lebens“. Zurück in den USA fotografierte er anders. „Nach Europa sah ich Amerika mit anderen Augen.“ Die USA waren im Vietnam-Krieg, „das Leben aber ging weiter“. Meyerowitz' Fotos aus New York oder Ohio haben nichts Unbefangenes mehr, sie wirken bedrückend, auch wenn vom fernen Krieg in Asien nichts zu sehen ist.
In eine ganz andere Richtung weisen die jüngsten Fotos des in New York und der Toskana lebenden Meyerowitz. Sie erinnern an die Stillleben Alter Meister. In Cézannes Atelier in Aix-en-Provence fotografierte Meyerowitz Küchenutensilien auf einem grauen Regal vor einer grauen Wand. Die Aufnahmen von Karaffen, Kännchen oder Silberleuchtern ordnete er am Computer zu einer Typologie mit 25 Objekten in Fünferreihen. „Die Objekte bekommen eine Persönlichkeit“, sagt Meyerowitz. „In meinem ganzen Fotografenleben hatte ich keine Stillleben gemacht.“
Für das NRW-Forum, das mit Ausstellungen moderner Fotografie von Robert Mapplethorpe über Peter Lindbergh und Helmut Newton bis zum Rockstar Bryan Adams bundesweit Aufsehen erregte, ist die Meyerowitz-Ausstellung ein gelungener Neuanfang. Seit bald einem Jahr hat das Haus keine Leitung mehr. Nun hat der Kunstdokumentarfilmer Ralph Goertz, der im Keller des Museums sein Filminstitut „iks“ betreibt, die Meyerowitz-Schau praktisch im Alleingang gestemmt und sich damit als möglicher neuer Leiter des NRW-Forums empfohlen. Die nötigen Kontakte in die Kunst- und Fotoszene hat der 44-jährige Goertz seit langem: Er hat Fotokünstler wie Candida Höfer oder Thomas Ruff und auch Meyerowitz über Jahre mit der Kamera begleitet.