Fünf Jahre nach Katrina: Das "Comeback" von New Orleans

Mit Kampfgeist, unerschütterlichem Optimismus und viel Geld aus Washington gelingt der vergessenen Stadt ein Neubeginn.

New Orleans. Nach dem historischen Unwetter "Katrina" hätte niemand daran geglaubt, doch fünf Jahre nach der schlimmsten Naturkatastrophe in der amerikanischen Geschichte feiert die seinerzeit verwüstete Kulturmetropole New Orleans einen Neubeginn.

Immer mehr Menschen kehren in die traditionsreiche Hafenstadt am Fuß des Mississippi Flusses zurück. Die Wirtschaft hat nach der tiefsten Rezession seit der Weltwirtschaftskrise nur leichte Blessuren davongetragen, Krankenhäuser wurden ebenso wie Schulen modernisiert, auch die Kriminalität ist zurückgegangen.

"Wir haben noch einen weiten Weg vor uns" erklärt der Gymnasiallehr Martin LaRue, "doch ich kann mit Stolz behaupten, dass wir Kämpfer sind. Die Bürger von New Orleans ließen sich von Katrina ebensowenig wie von der Ölpest im Golf kleinkriegen."

Nachdem am 29. August 2005 der Jahrhundert-Hurrikan entlang der US-Golfküste massiven Schaden angerichtet hatte, glaubte man im "Big Easy" mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Doch am Tag danach brachen die Deiche, die dem enormen Wasserdruck nicht mehr standhalten konnten. Binnen weniger Stunden standen drei Viertel der Stadt unter Wasser. Über 1500 Menschen verloren ihr Leben.

In den sintflutartigen Überschwemmungen gingen ganze Nachbarschaften unter, nicht weniger als 182.000 Häuser und Wohnungen wurden zerstört. Mehrere hunderttausend Menschen flüchteten in den Nachbarstaat Texas, die Bevölkerung von New Orleans schrumpfte von 450.000 auf etwa die Hälfte.

Ein Jahr später zog die Stadt eine traurige Zwischenbilanz: Sechs der insgesamt neun Krankenhäuser waren außer Betrieb, etwa die Hälfte der öffentlichen Schulen standen leer, und die meisten Bürger von New Orleans hatten weder Strom noch Gas.

Das Desaster entfachte auch eine neue Debatte über Rassismus in Amerika. Dass nämlich die Regierung von Ex-Präsident George W. Bush nur zögerlich Hilfe bereitgestellt hatte - davon waren führende Bürgerrechtler überzeugt - lag daran, dass die Stadt überwiegend von Schwarzen bewohnt wird.

In 2007 aber begann sich das Blatt zu wenden. Der Boom am Häusermarkt beflügelte die Bauwirtschaft. In totgeglaubten Stadtteilen wie dem Armenviertel Lower Ninth Ward sowie den bürgerlichen Bezirken Lakeview und Gentilly, wo ein Jahr zuvor Ruinen kleiner Einfamilienhäuser gestanden hatten und geparkte Autos von der Wucht der Fluten gegen Häuserwände gepeitscht wurden, wurden Immobilien renoviert und neuen Straßen gebaut.

Zwar stagnierte der Aufschwung während der anschließenden Rezession. Doch nach dem Amtsantritt von Barack Obama profitierte die Stadt von jenen großzügigen Zuschüssen aus Washington, die unter Bush ausgeblieben waren.

Auch hat sich ein struktureller Wandel vollzogen. Während die Stadt vor Katrina von der Energiewirtschaft, dem Fremdenverkehr, der Lebensmittelindustrie und dem Schiffbau lebte, haben Steuernachlässe und andere Anreize immer mehr Akademiker nach New Orleans gelockt. Sie arbeiten als Lehrer, Universitätsdozenten, Ärzte, Anwälte oder Wissenschaftler.

Jim Willoughby zum Beispiel gab in Washington einen Job als Ökonom bei der Weltbank auf und berät nun Kommunalpolitiker an der Golfküste in regionalen Wirtschaftsfragen. "Ich habe hier wirklich das Gefühl, einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau einer historisch und kulturell wertvollen Stadt leisten zu können, die innerhalb weniger Jahre gleich drei Schläge wegstecken musste, nämlich Katrina, die Rezession und nun die Ölpest im Golf" erklärt Willoughby."Diese Menschen sind stark, sie haben ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl und sind immer füreinander da. Es ehrt mich, mit ihnen arbeiten zu dürfen."

Musik und Kunst erlebten ebenfalls eine unerwartete Renaissance. Entlang der legendären Bourbon Street und im weiteren Umfeld des französischen Viertel florieren heute mehr Jazzlokale, Mussen und Kunstgeschäfte als zu jedem Zeitpunkt während der letzten 20 Jahre.

Auch wenn das Comeback in vollem Schwung ist, sind sich die kampfstarken "New Orleaner" der Tragweite ihrer enormen Herausforderung voll bewusst. Die Arbeitslosenrate liegt unter dem amerikaweiten Schnitt von 9,5 Prozent und auch die Zahl der in Armut lebenden Bürger ist derzeit auf dem tiefsten Stand seit 1979 - macht aber nach wie vor ein knappes Viertel der Gesamtbevölkerung aus. Zudem ist es noch ein weiter Weg, bis "The Big Easy" seinen Rang als eine der Topattraktionen für Gäste aus den USA und dem Ausland zurückerlangt.

"Reden wir nochmal in 2015" gibt sich Martin LaRue ausgesprochen optimistisch. "Dieses Jahr gewannen unsere New Orleans Saints den Super Bowl, das hätte niemand für möglich gehalten. Auch dies glauben nur wenige, doch in fünf Jahren ist die Stadt wieder ganz vorn, unter den Besten Amerikas."