Für Nackte und Windelträger: Massenbewegung Yoga
Berlin (dpa) - Julia Roberts übt sich in ihrem Film „Eat Pray Love“ nicht nur im Essen und Lieben, sondern auch im Yoga. Auch mit Hilfe von Promis ist Yoga zum Massensport geworden. Vom Hunde- bis zum Babyyoga: Die Sportart wird immer schriller und kommerzieller.
Der Mensch hat es noch gar nicht auf die Welt geschafft, da wartet schon die erste Yogastunde. Im Mutterleib findet er mittels Schwangerenyoga zur Spiritualität. Als Windelträger geht es dann zum Babyyoga, danach zum Kinderyoga, Teenageryoga, Erwachsenenyoga, Wechseljahreyoga und Seniorenyoga. Es gibt Yoga im Gefängnis und für Nackte. Die Meditations- und Körperübungen, denen früher ein Esoterikerimage anhaftete, begleiten den zeitgeistbewussten Mensch heute in allen Lebensphasen. Auch wenn von der ursprünglichen indischen Philosophie der Ganzheit von Körper und Geist oft nicht viel übriggeblieben ist.
Der neueste Trend, aus den USA nach Deutschland geschwappt, ist Yoga für Säuglinge. „Aber Babyyoga steckt in Deutschland noch in den Babyschuhen“, schränkt Katja Kunipatz, die in ihrem Berliner Studio Pitimini Yoga für Winzlinge anbietet, ein. Oft ernte sie Unverständnis. „Aber es geht ja nicht darum, dass die Babys 'Ommm' machen. Es geht darum, die Beziehung zwischen Eltern und Kind aufzubauen. Beide tun sich etwas Gutes.“ Kinder werden bewegt und massiert, Mütter dürfen entspannen.
Dies soll an diesem Tag auch Dilay erfahren. Dilay ist fünf Monate alt und Mini-Yogi. Aber sie will lieber zappeln als entspannen. Ihre Mutter, Derya Kleinert, versucht es mit Gesängen und yogischen Streicheleinheiten, doch das Gequengel will nicht wirklich aufhören. Froh ist der Teilnehmer, der in dem Kurs mit einer schweigenden Puppe praktizieren darf.
Im Erwachsenenyoga wird Ruhe dagegen großgeschrieben. Viele wollen sich mit Figuren wie dem „nach unten schauenden Hund“, der „Kobra“ oder dem „Sonnengruß“ vom Stress erholen, Rückenprobleme lösen oder ganz einfach einen straffen Po bekommen.
Krankenkassen erkennen Yoga als Präventionsmaßnahme teils an. Von Formen wie Babyyoga halten Ärzte jedoch nicht viel. Wissenschaftlich sei ein positiver Effekt für die Babys nicht nachgewiesen, sagt Stephan Eßer, Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte. „Aber schädlich ist es nicht - wenn die Säuglinge nicht gerade einen Sonnengruß machen müssen.“
„Yoga hat sich von seinem alten esoterischen Image befreit und ist eine Massenbewegung“, sagt Doris Hafner, Geschäftsführerin beim Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland (BDY), „wir haben ständig steigende Zahlen.“ Grund dafür seien auch immer neue Szeneideen wie zum Beispiel Yoga auf Hochhäusern. „Es ist die tiefe Sehnsucht in unserer Konsumgesellschaft, Ganzheit zu erlangen.“
Doch diese Ganzheit ist ebenfalls Konsumgut geworden. Yogagestählte Promis wie Madonna und Jennifer Aniston bringen das Geschäft mit Yogamode und Yogavideos auf Hochtouren. Selbst Daniel Craig alias Obermacho James Bond setzt angeblich auf die sanfte Dehnung. Hersteller wie Adidas bieten Designer-Yogamatten von Stella McCartney an, andernorts gibt es atmungsaktive Matten aus Merino-Schafschurwolle oder Hello-Kitty-Matten für Kinder. „Wegen der stetigen Nachfrage werden die Kollektionen zum Thema Yoga umfangreicher“, sagt eine Adidas-Sprecherin. Umsatzzahlen nennt sie nicht.
Auch sonst ist die Branche schwer in Zahlen zu fassen. Der BDY zählt mehr als 20 000 Yoga-Lehrende und fünf Millionen Praktizierende in Deutschland. Eine Umfrage der Marktforschungsgesellschaft GfK zeigt, dass in 8,5 Prozent der deutschen Haushalte Yogatreibende zuhause sind. Doch die „Dunkelziffer“ ist vermutlich höher. So darf sich zum Beispiel jeder Yogalehrer nennen, der will. Ein Zertifikat ist kein Muss. „Das ist ein ungeschützter Begriff, da gibt es auch schwarze Schafe“, sagt Hafner.