Gardisten, starke „Schwellköpp“-Träger - Mainzer Fastnacht
Mainz (dpa) - „Ein echter Narr ist ohne Sprüch' - rhoihessisch, herzlich, määnzerisch“ - unter dem Motto werden am 8. Februar in Mainz zum Rosenmontagsumzug Hunderttausende schunkeln, singen und schwofen.
Während sich das Motto jedes Jahr ändert, gehören andere Dinge seit Jahrzehnten fest zur „Määnzer Fassenacht“.
MainzerCarneval-Verein (MCV): Ja, das 1838 entstandene Flaggschiff der Mainzer Narren heißt tatsächlich so, auch wenn in der Stadt heute allenthalben von Fastnacht die Rede ist. „Als der MCV gegründet wurde, waren Fastnacht, Fasching und Karneval noch fast gleichrangige Begriffe in Mainz“, erklärt Günter Schenk, der schon mehrere Bücher zur „Meenzer Fassenacht“ veröffentlicht hat. In Berichten aus früherer Zeit fänden sich alle drei Worte wieder.
Das Wort Karneval sei zeitweise sehr in Mode gewesen, auch wegen des Aufsatzes „Das Römische Carneval“ von Johann Wolfgang von Goethe, sagt Schenk. Die Fastnacht habe sich im Sprachgebrauch der Mainzer erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchgesetzt. An eine Umbenennung sei beim MCV aber nie gedacht worden. Deutschlandweit sei heute Fasching das verbreitetste Wort. Es finde sich etwa in Bayern und Hessen.
Narrhallamarsch: Er ist eines der Musikstücke der Mainzer Fastnacht. Der Marsch hat es sogar geschafft, das ganze Jahr über bei Toren des Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05 im heimischen Stadion gespielt zu werden - ergänzt um regelmäßige „Helau“-Rufe von den Rängen und dem selbstironischen Fan-Song „Wir sind nur ein Karnevalsverein“. Bislang ging man davon aus, dass der Narrhallamarsch noch als Jokusmarsch 1844 erstmals im Frankfurter Hof in der Altstadt gespielt wurde. Doch es könnte früher gewesen sein, wie nun Recherchen von Benny Scholian ergeben haben. Er hat sich in einem Buch ausführlich mit Mainzer Fastnachtsmusik beschäftigt und sich dafür durch Archive gekämpft.
Scholian, selbst Teil des Fastnachts-Musikduos „Die Fleischworschtathlete“, entdeckte einen „ersten Narrhalla-Marsch“ in einem Liederheft von 1840. Einige Indizien sprächen dafür, dass es sich dabei schon um diesen Narrhallamarsch gehandelt habe. „Ich kann es aber nicht beweisen“, sagt er. Der damals in Mainz lebende österreichische Regiments-Kapellmeister und Schaffer des Marsches, Karl Zulehner, habe sich an Motiven der Oper „Der Brauer von Preston“ von Adolphe Adam bedient. Und diese Oper habe kurz vor der Sitzung mit dem „ersten Narrhalla-Marsch“ in Mainz Premiere gefeiert.
Ranzengarde: Die Ranzengarde von 1837 ist die älteste Garde von Mainz. Sie wird auch Mutter aller Mainzer Garden genannt, weil von Ranzengardisten viele weitere Garden gegründet wurden, wie Bernd Funke, Sprecher der Ranzengarde, erklärt. Auch bei der Gründung des MCV seien 15 Ranzengardisten dabei gewesen. „Jeder möchte mal Präsident werden. Wenn er nicht gewählt wird, gründet er einen neuen Verein“, sagt Funke. Die Ranzengarde sei entstanden, weil man das ausufernde Treiben auf den Straßen in geordnete Bahnen lenken wollte. „Es war eine Zeit, in der es sehr wild zuging an Fastnacht - nicht nur in Mainz, vor allem in Köln.“ Dort sei aus einem ähnlichen Grund Jahre vorher das Festkomitee des Kölner Karnevals entstanden.
Bis heute marschiert die Ranzengarde, die mittlerweile rund 800 Mitglieder zählt, beim Rosenmontagszug vorneweg. Die Uniformen seien gleichgeblieben, betont Funke. „Sie sind geklaut von den Füsilieren des letzten Mainzer Kurfürsten Friedrich Karl Joseph von Erthal.“ Überholt hat sich dagegen eine Vorgabe, wonach jeder Ranzengardist mindestens zwei Zentner wiegen und einen Leibesumfang von sechs Fuß haben muss. „Offiziell erledigt hat sich das erst nach dem Zweiten Weltkrieg“, erklärt Funke. Bis dahin sei es hingenommen worden, dass auch Dünnere dabei sind. „Einige haben sich Kissen unter die Kleidung gesteckt.“ Derzeit gebe es noch genau einen Ranzengardisten, der die alte Auflage erfülle. „Seit Jahren trägt er stolz die Mainzer Stadtfahne und achtet darauf, nicht ein Gramm abzunehmen.“
Schwellköpp: Sie sind wahre Symbole der Fastnacht in der Stadt am Rhein. Sie tragen Namen wie Eulefons, Karlche, Bawett oder Fleebutz. Nach Angaben des MCV gehen sie zurück auf eine Initiative des Unternehmers Ludwig Lipp, der 1927 in seiner Firma für Theater-Plastik und Papiermaché die ersten Exemplare kreierte. Bis zu 25 Kilo wiegen die Köpfe, die auf den Schultern getragen werden. Heutzutage kostet es laut MCV bis zu 7000 Euro, einen anzufertigen. Zugmarschall Ady Schmelz erklärt auf der Internetseite des Vereins: „Die Schwellköpp sehen nicht aus wie klassische Großstädter, sondern so, als kämen sie aus dem rheinhessischen Hinterland.“
Die Träger beim Rosenmontagszug müssen reichlich Idealismus mitbringen. Denn für ihr stundenlanges körperlich anstrengendes Engagement bekommen sie nur 40 Euro. Doch Schmelz betont: „Man gerät wie in einen Rausch. Dann spürt man das Gewicht gar nicht.“
Zugplakettchen: Auch sie sind typisch, es gibt sie seit 1950. Schon Monate vor dem Großereignis werden sie auf den Straßen verkauft. „Zugplakettscher, hier Zugplakettscher“, hallt es dann in feinster Mundart herüber, wenn sich ein Verkäufer nähert. Die Erlöse dienen der Finanzierung des Rosenmontagszuges. Dessen Kosten werden etwa in diesem Jahr mit rund 400 000 Euro veranschlagt. Rund ein Viertel davon sollen die Plaketten einbringen, wie MCV-Marketingleiter Rainer Steppich vor einiger Zeit sagte. Die Gestaltung der Zugplaketten ist jedes Jahr anders, mal blinken sie, mal nicht. In diesem Jahr bestehen sie aus „Weck, Worscht und Woi“, auf Hochdeutsch: Brötchen, Wurst und Wein - sozusagen die Grundnahrungsmittel der Rheinhessen.