Gedenken: Tränen für die „Costa“-Opfer
Zum Jahrestag der „Concordia“-Havarie treffen sich die Hinterbliebenen auf Giglio.
Giglio. Die Trauer überwältigt Elio Vincenzi. Als der schlanke Mann mit den grauen Haaren eine Madonnenstatue auf den Altar der kleinen Hafenkirche stellt, laufen ihm Tränen über die Wangen. In Gedenken an seine Frau, die vor einem Jahr auf der „Costa Concordia“ ihr Leben verloren hat, brachte der Sizilianer die Statue mit nach Giglio. Vincenzi schluchzt auf vor Schmerz.
Aus der ganzen Welt sind an diesem regnerisch-grauen Sonntag die Angehörigen auf die Insel gekommen. Sie gedenken der 32 Opfer, die in der Unglücksnacht vor einem Jahr zu Tode kamen, darunter zwölf Deutsche. Vincenzis Frau und der Inder Russel Rebello, so vermuten die Retter, sind noch im Wrack des Schiffes. Rebellos Bruder Kevin ist am Jahrestag ebenfalls in die Kirche gekommen „Ich möchte mich bei den Inselbewohnern bedanken“, sagt er.
Sonntag fuhren die Familien der Opfer hinaus zu dem Riff, das die „Concordia“ gerammt hatte. Hier begann am Abend des 13. Januar 2012 die Tragödie, hier wurde nun ein Felsen mit einer Gedenktafel ins Meer gestellt. Den Stein hatte das Schiff bei der Havarie herausgerissen. Bei ihrer Rückkehr wirkten die Trauernden fast wie unter Schock.
Still und mit hängenden Köpfen gehen sie die wenigen Meter vom Hafen bis zur Kirche. Sie alle haben einen geliebten Menschen verloren. Während sie gemeinsam beten, liegt der 290-Meter-Koloss wie ein Mahnmal vor der Küste der malerischen Toskana-Insel.
Neben den Angehörigen sind auch einige Überlebende nach Giglio gekommen. So wie Claire, eine 59 Jahre alte Französin. Die Reederei habe ihr geschrieben, dass der Gedenktag nur für diejenigen vorgesehen sei, die einen Menschen verloren hätten, sagt sie. Ihr sei es trotzdem sehr wichtig gewesen, mit den anderen Opfern zusammen zu sein. „Wir werden niemals vergessen, was passiert ist.“ Als die „Costa Concordia“ kenterte, habe sie unter Schock gestanden. Auf dem Schiff sei alles sehr dunkel gewesen, und sie habe nicht gewusst, was vor sich geht. Vollkommen durchnässt kam sie in ihrer Jacke auf der Insel Giglio an. „Die Taschen waren leer, es war nichts mehr drin.“
Was in dieser Nacht vor einem Jahr genau zu dem Schiffsunglück führte, soll ein Prozess klären. Wann dieser beginnt, ist noch unklar. Dem Kapitän der „Concordia“, Francesco Schettino, wird vorgeworfen, aus Leichtsinn viel zu nah an die felsige Küste von Giglio herangefahren zu sein. Ein Felsen schlitzte das Kreuzfahrtschiff mir mehr als 4000 Passagieren an Bord wie eine Heringsdose auf. Claire hofft, dass bald aufgeklärt wird, wer für das Unglück verantwortlich ist. „Wir wollen die Wahrheit wissen“, sagt sie. „Wir wollen Gerechtigkeit.“